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Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)

Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ava Bennett
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fassen. Letzteres hat sich erfüllt. Dank des Kaufes einiger wunderbarer Plantagen und des Baus einer Destille nach den Plänen Pit Hensens bin ich binnen kürzester Zeit zur erfolgreichsten Rumhändlerin der Insel geworden. Ohne meinen Brennmeister Mister Franklin wäre das alles nicht möglich gewesen. Wir beide hatten die geniale Idee, nur noch den puren Rum nach Deutschland zu liefern und ihn dort verschneiden zu lassen. Meine Schwester hat drüben ebenfalls die beste Unterstützung, die man sich denken kann. Sie hat einen Neffen unseres Notars Brodersen geheiratet und trägt jetzt diesen Namen. Wenn ich mir vorstelle, dass ich ihn mir damals ausgeliehen habe, als ich nach Saint Croix gekommen bin …
    Am liebsten würde ich bei meiner Schilderung einiges unter den Tisch fallen lassen, allerdings ist mein Leben dann nicht vollständig erzählt, und die kleine Valerie soll doch eines Tages erfahren, wer ihre Eltern waren. Und sie soll verstehen, warum ihre Großmutter zu einer zugeknöpften schwarzen Lady geworden ist. Vor allem, dass ich nur so in der Lage war, sie großzuziehen.
    Valerie, wenn du das eines Tages liest, wirst du auch verstehen, warum ich dich niemals reiten lassen werde. Seit mein kleiner Benjamin ein grausames Ende unter Pferdehufen gefunden hat, kann ich den Anblick von Kindern in der Nähe von Pferden nicht mehr ertragen.
    Aber zurück zu meinem Leben in Montego Bay. Ich habe mir von meinem Geld vor vielen Jahren ein Turmzimmer geschaffen, von dem aus ich einen herrlichen Blick über eine Palmenallee bis weit hinunter zum Meer habe. Wie damals zu Hause im kalten Norden. Nur dass es dort keine Palmen waren, über die ich sah, sondern Ulmen. Mein Haus liegt auch auf einem grünen Hügel, es ist allerdings so völlig anders als mein Elternhaus. Es grenzt fast an ein Spukschloss. Der Architekt hatte einen Hang zu dramatisch anmutenden gregorianischen Bauten. Er hat auch Rose Hall einst gebaut. Ich musste dieses Haus einfach kaufen. Wegen des Turmzimmers, behaupte ich immer, wenn ich gefragt werde, ob das riesige Haus nicht zu groß für mich ist und …
    Ich erinnere mich, als wäre es heute gewesen. Die Sea Cloud erreichte den Hafen von Montego Bay bei strahlend blauem Himmel. Was ich vom Schiff aus sehen konnte, ließ mich vermuten, dass ich von einem Paradies ins nächste geraten war: weite, weiße Strände, tiefblaues Meer, grüne Hügel, Berge, Urwald …
    Jeremiah hatte den Arm um meine Schultern gelegt, als wir am Kai anlegten. Obwohl ich heftig widersprach, brachte er mich gleich nach unserer Ankunft zu einem Haus, in dem der Sohn des Kapitäns lebte, ein junger Arzt, Doktor Paul Brown. Dort ließ er mich allein zurück, versprach mir aber, mich so schnell wie möglich zu holen. Der Doktor war sehr nett zu mir, aber es half alles nichts. Ich verging vor Sehnsucht nach Jeremiah, von dem ich über eine Woche kein Lebenszeichen erhielt. Ich merkte bald, dass der junge Arzt sehr besorgt um mich war. Und eines Tages erfuhr ich, warum: Ich sinnierte laut, ob Jeremiah mich wohl jemals wieder abholen würde. Pauls Antwort ließ mich empört nach Luft schnappen. »Ich hoffe, er ist so vernünftig und lässt sie bei mir!«
    Ich bin ihm beinahe an die Kehle gegangen. »Was reden Sie denn da für einen Unsinn?«
    »Glauben Sie wirklich, dass Sie mit Jeremiah glücklich werden können?«
    »Ja, das glaube ich, und jetzt darf ich Sie bitten, Ihr dummes Gerede zu unterlassen!«
    Doktor Brown erwähnte Jeremiah nie wieder. Auch nicht, als er in der zweiten Woche immer noch nicht wiederaufgetaucht war. Ich war ja nur froh, dass ich genügend Geld mitgenommen hatte, und ließ mir erst einmal neue Kleider machen. Das meiste hatte ich in Frederiksted zurückgelassen. Doktor Brown überschlug sich mit Komplimenten, trat mir aber nie zu nahe. Das lernte ich zu schätzen, als er eines Tages Besuch von einem seiner Studienkollegen bekam. Samuel Wilson hieß der junge Mann und war wahnsinnig von sich überzeugt. Er machte mir so offensichtlich Avancen, dass Paul Brown ihn eines Abends energisch in die Schranken wies. »Anne ist so gut wie verlobt«, behauptete er. Ich war ihm unendlich dankbar. Doch das alles konnte mich nicht hinwegtrösten über Jeremiahs Verschwinden.
    Eines Abends klopfte es, und ich hoffte, wie so oft, dass es Jeremiah war. Paul öffnete die Tür und kehrte in Begleitung einer schlanken, jungen, vornehm gekleideten Dame zurück. Sie hatte bestimmt einmal ein schönes Gesicht besessen, das

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