Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)
Kerl ist gemeingefährlich. Er macht mir Angst«, widersprach ich verzweifelt.
»Ich weiß. Nur: Wenn ich abhaue, wird er das an den anderen Schwarzen auslassen. Ich muss versuchen, im Untergrund gegen ihn zu kämpfen. Es kann doch nicht angehen, dass ein Gesetz beschlossen wird, das aber für ihn nicht gelten soll. Gemeinsam sind wir stark. Ich muss den Widerstandsgeist meiner Brüder und Schwestern schärfen. Verstehst du?«
In diesem Augenblick wusste ich, dass ich es nicht schaffen würde, ihn zur Flucht zu überreden. Seine Augen glühten vor Begeisterung. Er würde in seinem missionarischen Eifer nicht zu bremsen sein.
»Versprich mir nur eines!«, bat ich ihn. »Bevor du dich von ihm aufknüpfen lässt, bringen wir uns in Sicherheit!«
Jeremiah nickte schwach, und dennoch ahnte ich, dass er bereit war, bis aufs Blut für die Freiheit zu kämpfen. Und ich sollte recht behalten. Wir lebten drei lange Jahre in dieser Anspannung. Nur in der Hütte fanden wir gelegentlich für ein paar Stunden unseren Frieden. Wir übernachten fast jede Nacht gemeinsam im Schutz des Urwalds. Doch im Morgengrauen brachte er mich stets zur Palme zurück. Wie oft sagte ich ihm, ich könne allein zurückfinden, es wäre zu gefährlich, aber Jeremiah bestand darauf. Ich hatte jedes Mal Angst um ihn. Vielleicht habe ich geahnt, dass ihm eines Tages genau das zum Verhängnis werde würde.
Wie gut, dass wir in jener letzten gemeinsamen Nacht nicht ahnten, dass es keine weitere geben würde. Doch wenn ich mich zurückerinnere, lag etwas in der Luft. Wir liebten uns mit einer Leidenschaft, als wüssten wir, dass es das letzte Mal sein sollte. Ich entsinne mich noch genau, dass sich auf dem Rückweg etwas in meinem Magen zusammenklumpte. Und dass ich dagegen anredete. Eines Tages fragte ich ihn erneut, ob es nicht tatsächlich besser wäre, in meine Heimat zu gehen. Zu meiner großen Verwunderung schien er nicht ganz abgeneigt, denn er hatte bei seinen Leuten nicht den Erfolg erzielt, den er sich erhofft hatte. Sie wussten zwar, dass Hamilton Unrecht tat, aber bei ihm bekamen sie wenigstens eine Unterkunft und etwas zu essen. Den freigelassenen Sklaven von anderen Plantagen ging es dreckiger. Sie besaßen nichts als ihre Freiheit. Und einige hatten sich inzwischen freiwillig in Hamiltons Dienste gestellt, obgleich bekannt war, wie brutal er gegen seine Leute war.
»Ich glaube, es wird wohl das Beste sein«, sagte er resigniert.
Mein Herz machte einen Sprung. Das war das Schönste, was er mir sagen konnte. Endlich tat sich ein Hoffnungsschimmer auf, dass wir doch noch ein normales Leben würden führen können. Ich war regelrecht von dem Gedanken beseelt, dass Jeremiah nun in Sicherheit war. Nur deshalb hielt ich das merkwürdige Knacken, das aus dem Dickicht des Urwalds kam, für das Geräusch eines Tiers. Erst an Jeremiahs angsterfülltem Blick erkannte ich, dass Gefahr drohte. Er machte mir ein Zeichen, dass ich schweigen sollte. Ich traute mich kaum zu atmen. Wir blieben einen Moment regungslos stehen, bevor wir weiterschlichen. Es war wohl doch nur ein Tier gewesen.
Dass es ein unbarmherziges Tier in Menschengestalt war, sahen wir erst, als es zu spät war. In dem Augenblick, als wir den Garten der Hamiltons betraten, waren wir schon von einer Horde bewaffneter Männer umzingelt. Allen voran Arthur Hamilton! Zu meinem Entsetzen hielt er in der einen Hand eine Pistole, mit der anderen Hand hatte er das Haar seiner Schwester, die vor ihm kniete, gepackt.
»Gibst du es endlich zu, dass du die beiden gedeckt hast«, brüllte er mit hochrotem Kopf.
»Bitte, lass unseren Bruder gehen«, bettelte Jane, woraufhin Arthur brutal an ihrem Haar riss. Jane schrie auf vor Schmerz.
»Du bist genauso eine Negerhure wie die da!«, schrie Arthur, ließ seine Schwester los und packte mich am Oberarm. Jeremiah konnte mir nicht helfen, denn ihn hielten zwei von Arthurs Männern fest.
»Mach mit mir, was du willst, aber lass die Frauen los«, rief Jeremiah verzweifelt.
»O nein, die Ladies werden schön mit ansehen, was ich mit dir anstelle!«, brüllte Arthur wie von Sinnen.
Dann trieben sie uns wie die Tiere vor sich her. Bis wir an einem Platz mitten in der Plantage ankamen. Wie ein Mahnmal ragte ein Galgen empor. Ich ahnte, was sich hier gewöhnlich abspielte, und meine Eingeweide zogen sich krampfhaft zusammen.
Jane und ich wurden von je zwei Männern festgehalten, während Arthur Jeremiah die Pistole an den Kopf setzte und ihn zwang, bis
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