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Das Haus auf den Klippen

Das Haus auf den Klippen

Titel: Das Haus auf den Klippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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sonniges, wenn auch zahnloses Lächeln folgte ihm,
während er mit einem letzten Winken im Terminal verschwand.
    Nach dem Mittagessen hatte Adam einen dringenden Anruf
aus seiner Kanzlei erhalten. Eine Sofortanhörung vor Gericht
war angesetzt worden, um die Freilassung der Potter auf Kaution zu widerrufen. Die Anklage behauptete, seine Klientin habe
Drohungen gegen ihre Schwiegermutter ausgesprochen. Adam
hatte damit gerechnet, mindestens zehn Tage auf dem Cape zu
haben, bevor er wieder über Nacht nach New York mußte, doch
es schien sich hier um einen echten Notfall zu handeln, und er
entschied, daß es nötig war, die Sache selbst in die Hand zu
nehmen.
    Menley steuerte den Wagen aus dem Flughafen hinaus, bog in
das Rondell ein und folgte den Schildern zur Route 28. Sie kam
an den Bahnübergang und spürte, wie sich eiskalter Schweiß auf
ihrer Stirn zu bilden begann. Sie hielt an, warf dann einen ängstlichen Blick nach beiden Seiten. Ein Güterzug war weit in der
Ferne auf den Schienen zu sehen. Er bewegte sich nicht. Die
Warnlichter blinkten nicht. Die Schranken waren offen. Und
trotzdem saß sie eine Weile lang wie gelähmt da, unfähig sich
zu rühren.
    Das ungeduldige Hupen von Autos hinter ihr zwang sie, aktiv
zu werden. Sie trat mit dem Fuß aufs Gaspedal. Der Wagen
schoß über das Gleis hinweg. O Gott, dachte sie, hilf mir bitte!
Hannah hüpfte in dem Autositz auf und ab und fing an zu
schreien.
    Menley bog in den Parkplatz eines Restaurants ein und fuhr
soweit wie möglich nach hinten. Dort hielt sie an, kroch auf den
Rücksitz und holte Hannah heraus. Sie wiegte das Baby eng an
ihrem Körper, und sie weinten gemeinsam.

G
    raham Carpenter konnte nicht schlafen. Er versuchte ruhig
in dem breiten Einzelbett dazuliegen, das schon vor langer
Zeit das Doppelbett ersetzt hatte, das er und Anne zu Anfang
ihrer Ehe miteinander geteilt hatten. Als dann ihr zwanzigster
Hochzeitstag näherrückte, gestanden sie einander, daß sie lieber
mehr Platz hätten, und führten so die Änderung ein. Mehr Platz,
um sich auszustrecken, mehr freie Zeit, mehr Reisen. Mit ihrer
zweiten Tochter im College war es alles möglich.
    Am Abend, nachdem dieses Bett geliefert worden war, prosteten sie sich mit Champagner zu. Kurz darauf wurde Vivian gezeugt. Manchmal fragte er sich, ob sie womöglich von Anfang
an wußte, daß sie ein unerwünschtes Kind war. War ihre lebenslange Feindseligkeit ihnen gegenüber und ihre Unsicherheit gegenüber anderen Menschen schon im Mutterleib hervorgerufen
worden?
    Eine ausgefallene Vorstellung. Vivian war ein anspruchsvolles, unzufriedenes Kind gewesen, aus dem ein problematischer
Teenager und eine schwierige Erwachsene wurde. Ihr Motto bei
ihren schlechten Leistungen in der Schule war, wie sie voller
Selbstmitleid sagte: »Ich tu doch, was ich kann.«
    Worauf er dann wütend versetzte: »Nein, verflucht noch mal,
du tust eben nicht, was du kannst. Du weißt gar nicht, was das
überhaupt heißt.«
    In dem Internat, wo die älteren Töchter sich hervorgetan hatten, wurde Vivian zweimal zeitweilig und schließlich völlig der
Schule verwiesen. Eine zeitlang hatte sie mit Drogen herumgespielt, was sie jedoch glücklicherweise nicht fortsetzte. Und
dann gab es dieses unübersehbare ständige Bedürfnis, Anne vor
den Kopf zu stoßen. So bat sie etwa ihre Mutter, mit ihr Kleider
einkaufen zu gehen, und weigerte sich dann, irgendeinem von
Annes Vorschlägen zu folgen.
    Sie zog das College nicht durch, blieb nie länger als ein halbes Jahr bei einem Job. Vor vielen Jahren hatte er seine Mutter
angefleht, Vivian keinen Zugang zu dem Treuhandfonds, den sie
für sie angelegt hatte, zu verschaffen, bis sie dreißig sein würde.
Doch es fiel ihr alles in den Schoß, als sie einundzwanzig war;
sie kaufte das Haus und meldete sich danach nur noch selten bei
ihnen. Es war ein echter Schock, als sie im Mai plötzlich anrief
und sie in ihr Haus zu einem Empfang einlud. Sie habe geheiratet.
    Was konnte er über Scott Covey sagen? Gutaussehend, wohlerzogen, intelligent genug, zweifellos Vivian zugetan. Sie hatte
vor Glück förmlich gestrahlt. Der Eindruck wurde erst getrübt,
als eine ihrer Freundinnen über den sicher schon arrangierten
Ehevertrag witzelte. Daraufhin war sie aufgebraust: »Nein, wir
haben gar keinen. Im Gegenteil, wir vermachen uns alles gegenseitig im Testament.«
    Graham fragte sich damals, was Scott Covey wohl irgend jemandem hätte vermachen

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