Das Haus auf den Klippen
Aber aus unerfindlichen Gründen war die Aussicht, später mit nur einem
kleinen Nachtlämpchen als Wegweiser nach oben zu gehen,
Menley nicht ganz geheuer.
Sie hatte ihren Abend schon vorausgeplant. Es gab frische
Tomaten im Kühlschrank. Sie würde schnell linguine al pomodoro und dazu einen Salat aus Brunnenkresse machen. Im Kühlfach war auch ein halber Laib italienisches Brot.
Das wird genau das richtige sein, dachte Menley. Und während ich esse, mache ich mir dann ein paar Notizen für das
Buch.
Die paar Tage in Chatham hatten sie bereits auf einige Ideen
gebracht, wie sie mit der Handlung umgehen würde. Jetzt, da
Adam weg war, würde sie den langen, ruhigen Abend dafür
verwenden, die Geschichte genauer auszuarbeiten.
E
r hatte den ganzen Tag auf Viv’s Toy verbracht. Das knapp
sieben Meter lange Boot mit Innen- und Außenbordmotor
war in hervorragendem Zustand. Vivian hatte darüber gesprochen, es durch ein Segelboot zu ersetzen. »Jetzt, wo ich einen
Kapitän dafür habe, sollten wir uns da nicht eins anschaffen, das
groß genug für ernsthafte Segeltörns ist?«
So viele Pläne! So viele Träume! Scott war seit jenem letzten
Tag mit Vivian nicht mehr tauchen gegangen. Heute fischte er
eine Weile, überprüfte seine Hummerkörbe und wurde mit vier
Zwei-Pfund-Exemplaren belohnt, zog dann die Tauchausrüstung
an und ging für eine Weile in die Tiefe.
Er vertäute das Boot am Anlegeplatz und kam um halb sechs
zu Hause an, ging dann unmittelbar mit zwei Hummern nach
nebenan zu den Spragues. Henry Sprague machte ihm auf.
»Mr. Sprague, ich weiß noch, daß Ihre Frau bei unserem Empfang offenbar den Hummer genossen hat. Ich hab heute welche
gefangen und dachte, Sie hätten vielleicht gern ein paar.«
»Das ist wirklich lieb«, meinte Henry aufrichtig. »Warum
kommen Sie nicht rein?«
»Nein, ist schon gut. Lassen Sie sich’s einfach schmecken.
Wie geht’s Mrs. Sprague?«
»Ungefähr wie sonst auch. Würden Sie ihr gern hallo sagen?
Moment mal, da ist sie.«
Er drehte sich um, als seine Frau den Gang entlangkam.
»Phoebe, mein Liebes, Scott hat dir Hummer mitgebracht. Ist
das nicht nett von ihm?«
Phoebe schaute Scott Covey mit großen Augen an. »Warum
hat sie so schrecklich geweint?« fragte sie. »Geht’s ihr jetzt
wieder gut?«
»Niemand hat geweint, Liebling«, sagte Henry Sprague besänftigend. Er legte ihr den Arm um die Schultern.
Phoebe Sprague wich vor ihm zurück. »Hör mir zu«, kreischte
sie auf. »Ich sag dir die ganze Zeit, daß da eine Frau bei mir im
Haus wohnt, und du glaubst mir einfach nicht. Hier, Sie da!« Sie
packte Scott am Arm und zeigte auf den Spiegel über dem Foyertisch. Sie spiegelten sich alle drei darin. »Hier, die Frau da.«
Sie beugte sich vor und berührte ihr eigenes Spiegelbild. »Sie
wohnt in meinem Haus, und er glaubt’s mir einfach nicht.«
Etwas beunruhigt über Phoebes Gefasel, ging Scott tief in Gedanken versunken nach Hause. Er hatte vorgehabt, einen der übrigen Hummer für sich zu kochen, merkte jetzt jedoch, daß er keinen
Appetit hatte. Er machte sich einen Drink und hörte den Anrufbeantworter ab. Es gab zwei Botschaften: Elaine Atkins hatte angerufen. Ob er das Haus weiterhin verkaufen wolle? Sie habe einen
potentiellen Kunden. Der andere Anruf stammte von Vivians Vater. Er und seine Frau hätten eine dringende Angelegenheit mit ihm
zu besprechen. Sie würden so um halb sieben vorbeikommen. Es
werde nur ein paar Minuten in Anspruch nehmen.
Was soll das denn? fragte sich Scott. Er schaute auf seine
Armbanduhr; es war schon zehn nach sechs. Er stellte den Drink
ab und ging hastig davon, sich schnell zu duschen. Er zog ein
dunkelblaues Sporthemd an, dazu Drillichhosen und Segelschuhe. Er kämmte sich gerade die Haare, als es klingelte.
Es war das erste Mal, daß Anne Carpenter im Haus ihrer
Tochter war, seit man die Leiche gefunden hatte. Ohne zu wissen, wonach sie eigentlich Ausschau hielt, suchte sie das Wohnzimmer mit den Augen ab. In den drei Jahren, seit Vivian das
Haus besaß, war Anne nur wenige Male hiergewesen, und es sah
noch ziemlich genauso aus, wie sie es in Erinnerung hatte. Vivian hatte die Schlafzimmereinrichtung erneuert, das Zimmer hier
jedoch einigermaßen wie vorher gelassen. Bei ihrem ersten Besuch hatte Anne ihrer Tochter vorgeschlagen, das schmale Sofa
und einige der billigen Posters rauszuschmeißen, aber Vivian
war aufgebraust, obwohl sie doch selbst um Vorschläge gebeten
hatte.
Scott
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