Das Haus auf der Brücke
Wiese beim Haus, er hatte sich verfranzt, das heißt der Fahrer natürlich. Und dann...<«
»Und dann?«
»Ach, nichts«, sagte ich. »Sie werden’s mir doch nicht glauben.«
»Wirst du ihnen meinen Namen sagen?«
»Das weiß ich noch nicht. — Nein, ich glaube, nicht.«
»Man kann nicht alles sagen, gelt?«
»Nein, man kann nicht alles sagen.«
Es waren die letzten drei Tage. Dann würde sie wieder fahren. Und ihr Vater würde wieder in Akten blättern und aufstehen und sagen »Im Namen des Volkes«. Toll eigentlich, daß er das so sagen konnte, ohne das Volk vorher zu fragen. Aber er sagte es. Petra hatte es immer wieder bestätigt.
»Besuch uns mal«, sagte Mäxchen, die eigentlich Grete hieß. Mäxchen kam auch nicht von Max oder Maximilian, sondern von einem Schweizer, der zu einem Essen, das die Frau des Richters gekocht hatte, sagte: »Das war maximal«. Daher kommt Mäxchen. »Besuch uns mal«, hatte Mäxchen gesagt. Das war eine offizielle Einladung.
»Oh«, hatte ich geantwortet, »sehr nett, danke schön. Ja, vielleicht komm’ ich mal da hinauf.«
Am vorletzten Tag gingen wir mit dem Bauern auf den Berg. Da wurden die Schafe zusammengetrieben und auseinanderklamüsert. Jeder Bauer trieb dann seine Schafe nach Hause. Wir wollten ihm helfen. Wir, das waren Petra, Bero und ich.
Bero hatte ich ein bißchen aus den Augen verloren in diesem Sommer. Nun, es war so viel zu tun. Und manchmal störte er ja wirklich, wenn ich mit Petra ein ernsthaftes Gespräch führen wollte.
Andauernd redete er dazwischen. Immer war er es, der sich bemerkbar machen wollte. Er hält dann einfach die Klappe nicht.
Heute allerdings war er ziemlich still. Außerdem ging er mehr mit dem Bauern, denn er hatte mir verraten, daß er sich ein kleines Schaf kaufen wolle. Dreiunddreißig Pfennig habe er mit.
Es war ein schöner Septembertag. Ganz klar. Auf dem Honigkogel, der doch schon ein gutes Stück entfernt war, konnte man »die Bäume zählen«, wie die Leute hier sagen. Die Beeren der Ebereschen waren schon grellrot. Es war so schön, daß es furchtbar sein mußte, gerade jetzt woandershin zu fahren.
Oben, auf einer ziemlich flachen Wiese, hatten sich schon andere Bauern und Sommergäste eingefunden, die dem Schauspiel beiwohnen wollten.
Etwas später fanden sich dann die Schafe ein und schienen zunächst völlig ratlos. Vor allem hatten sie keine Ahnung, zu welchem Bauern sie gehörten. Und auch die Bauern erkannten sie nur an den Ohren, da waren sie gezeichnet. Es war ganz merkwürdig. Die Rufe der Bauern, das aufgeregte oder jammernde Blöken der Schafe, das Bimmeln der Glocken und der wolkenlose, blaue Himmel darüber. Mir war, als erlebte ich das gar nicht heute, sondern hätte es schon längst erlebt.
»Warst du schon mal in Griechenland?« fragte ich Petra.
»Ja, aber als ganz kleines Mädchen. Ich kann mich kaum mehr erinnern. Und du?«
»Nein, aber ich kann mich gut daran erinnern.«
Sie lachte wieder ihr lustiges Katzenlachen. Sie fand’s herrlich, wenn ich solche Witze machte. Sie wußte ja nicht, wie es in mir aussah.
Dann machten wir uns auf den Rückweg. Das ging nun wesentlich langsamer, weil wir ja die Schafe mit uns führten, und weil die immer noch einen Halm da, ein Blatt dort fressen wollten. Auf einem Stück Bundesstraße zeigten die Schafe, daß sie keine Ahnung von der Straßenverkehrsordnung hatten. Sie wußten nicht, daß sie sich rechts halten mußten, wie manche Autofahrer auch. Aber der Bauer warnte vorn die entgegenkommenden Autos und ich jene, die hinter uns herkamen.
Petra ging mit Bero inmitten der Herde. Es sah aus, als schwebten die beiden in Wolken.
Dann waren wir endlich auf dem Weg zu unserem Haus. Unsere Herde wirbelte ziemlich viel Staub auf, den die kleineren Schafe am Schluß des Zuges schlucken mußten. Den älteren Schafen schien der Weg nun schon vertrauter, aber vor unserem Haus blieben sie nach dem Leithammel wie angewurzelt stehen und guckten ein bißchen überrascht und beleidigt.
Es folgte ein blökendes »Teach-in«, eine langwierige Schafsdebatte darüber, ob Häuser auf einer Brücke stehen durften oder nicht, und ob man klassenbewußte Zuchtschafe dazu zwingen konnte, durch ein solches Haus zu gehen.
Sie hatten nicht die rechte Lust dazu. Schließlich zog und schob der Bauer den Leithammel durchs Haus, bis der etwas irritiert am anderen Ufer stand und offenbar meinte, die übrigen könnten unbesorgt nachkommen.
Trotzdem folgten sie nur zögernd, erst in
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