Das Haus auf der Brücke
kommen.
»Ach«, sagte der alte Mann, der schon öfter bei uns gegessen hatte. »Ich habe nie gewußt, daß es auf einer Brücke so gemütlich zugehen kann.«
Und der Fischer klopfte auch gern an. Wenn es regnete, ließ er sich einen Schnaps und einen Kaffee spendieren und hängte seine Angel bei unserem Fenster hinaus.
»Wenn ich gewußt hätte, daß man so etwas machen kann, dann hätte ich mir die Brücke gekauft«, meinte er. »Bitte, ich hätte mir kein so großartiges Haus draufgebaut wie dieses hier, mit Zentralheizung und so. Aber eine kleine Hütte mit einem Bett und einem eisernen Ofen, das schon.«
Und er hockte am Fenster, hielt seine Angelrute und sagte, daß die Forellen blöde Fische seien, weil sie sofort zubissen, wenn man sie mit einem ordentlichen Köder lockte.
Manchmal schenkte er uns ein paar blöde Forellen, die dann doch sehr gut schmeckten.
Und dann regnete es ein paar Tage, das Wasser des Baches wurde immer schmutziger und stieg immer höher, und schließlich fehlte nur noch eine Spanne bis zur Brücke.
Oma wäre am liebsten mit einer Schwimmweste ins Bett gegangen, und wir alle ließen Bero nicht aus den Augen. Der Bach war zu einem reißenden Fluß geworden.
Aber dann, ich wachte davon auf, hörte es mitten in der Nacht zu regnen auf, es wurde kälter, und das Wasser sank wieder.
»Wo sind jetzt die Forellen?« fragte Bero, als wir miteinander aus dem Fenster schauten.
»Da unten im Wasser«, sagte ich.
»Aber warum sieht man sie nicht?«
»Weil das Wasser so schmutzig ist.«
»Wer hat das Wasser schmutzig gemacht?«
»Niemand«, sagte ich, »das kommt vom Regen. Der macht, daß das Wasser steigt, und wenn das Wasser steigt, reißt es Erde mit, Wurzeln und Steine.«
»Und die Forellen?« — »Die bleiben.«
»Wieso können sie wissen, wo sie sind, wenn sie nichts sehen?«
»Die wissen das aber.«
»Kommt jetzt der Tierarzt zu den Forellen?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Forellen brauchen keinen Tierarzt.«
»Doch, sie brauchen.«
»Ist gut«, sagte ich, »sie brauchen einen Tierarzt.«
»Ruf an, er soll kommen.«
»Nein, ich ruf’ nicht an.«
»Du sollst anrufen!«
Ich rief an. Das heißt, zuerst tat ich nur so, aber Bero merkte es. Ich mußte echt anrufen, und er hörte zu, ob sich der Tierarzt auch meldete. Er war selbst am Apparat.
»Manfred Krämer«, sagte ich. »Herr Doktor, wir sind die Leute auf der Brücke.«
»Ach ja, was gibt’s?«
»Mein kleiner Bruder will, daß Sie die Forellen untersuchen. Das wäre eigentlich alles.«
»Eilt es?« fragte der Doktor.
»Nein. Vielleicht, wenn Sie gelegentlich vorbeikommen oder zum Bauern müssen.«
»Gut, wird gemacht.«
Bero war befriedigt. »Ich bleibe auf, bis er kommt«, sagte er.
»Das geht nicht. Der Doktor kommt erst morgen.«
»Ich warte.«
»Gut«, sagte ich endlich, »du wartest.« Weil ich nachgab, hatte er am Abend vergessen, daß er warten wollte.
Dafür weckte er uns am nächsten Morgen, es war noch stockdunkel, mit einem Mordsgebrüll.
Wir trafen uns alle vor seiner Tür, und akute Blinddarmentzündung war das mindeste, was wir vermuteten. Aber es war nichts. Ihm war nur eingefallen, daß er gestern abend hätte noch wach bleiben wollen und daß ihn niemand an sein Vorhaben erinnert hatte.
Als ich von der Schule heimkam, hatte er ein altes weißes Hemd von Vater an, und Mutti trug eine Rotkreuzbinde und eine weiße Schürze. Über dem Kleid natürlich.
»Was ist denn hier los?« fragte ich.
Mutti machte mir Zeichen, die ich nicht verstand. Erst später kapierte ich, daß ich »Guten Tag, Herr Doktor« bellen sollte, da ich ein Hund war.
Ich mußte mich sofort auf den Boden legen, und der »Doktor« untersuchte mich. Er fand, daß ich ein Herz und eine Lunge zuviel hätte und daß beides raus müßte. Dann operierte er mich. Weil ich brav war, bekam ich von der Schwester ein Stück Wurst.
Als Spinne kam, war sie ein Pferd, und Don war ein Ochse, was ihm wenig schmeichelte, zumal er »Diphtherieentzündung« hatte.
Beim Mittagessen fragte er Mutti, die noch immer die Schwesterntracht trug, was sie am Nachmittag vorhätten, und wir fragten uns allmählich, ob er vielleicht wirklich ein Tierarzt, Mutti eine Schwester und wir ein Hund, ein Pferd und ein Ochse wären.
Nur als am Nachmittag Dons Klassenkameradin Karin kam und Bero verlangte, sie solle sich ausziehen, weil sie ein Schwein sei und Junge bekäme, wurde das Mädchen furchtbar rot und die Lage kritisch.
Ich überlegte
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