Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman

dieses Mannes besser verstehen, als sie Akamu wenige Stunden später begegnete. In dem Moment, als Gung ihn in den von Schmetterlingen, Blüten und Vogelgezwitscher erfüllten Garten führte, schien die Temperatur um zehn Grad zu fallen. Wie eine dunkle Naturgewalt kam er daher, ungezähmt und urtümlich, mit schwerfälligem, voranpreschendem Schritt, ein Krieger alter Schule. Elsa war diesem Typus einmal als Kind begegnet, einem samoanischen Widerstandskämpfer gegen die neuseeländischen Kolonialherren, den man hingerichtet hatte. Als Mitglied der Königsfamilie war sie bei der Exekution zugegen gewesen, und sie hatte nie die ungebändigten Gesichtszüge dieses Mannes vergessen – es waren auch die Züge Akamus.
    Iolana wirkte ängstlich und ausgehöhlt, sie blickte zu Boden, und selbst der Arm, den Max ihr demonstrativ um die Schultern gelegt hatte, schien ihr kaum Halt zu geben. Sogar Paulette, die kein Mann so schnell beeindruckte, straffte instinktiv das Rückgrat, um einen Zentimeter zu wachsen, und stellte sich schützend neben Lucas und Lucille, die dem Treffen aus Neugier beiwohnten.
    Tatsächlich war diese kalte Dusche mal eine Abwechslung zu dem lauwarmen Bad der Partys und intelligenten Gesprächen, und Elsa spürte ihr Herz schlagen.
    Akamu zog so viel Aufmerksamkeit auf sich, dass Elsa erst spät die beiden Begleiterinnen bemerkte, die ihm mit einigen Schritten Abstand folgten. Elsa hätte nicht verwunderter sein können – ein kleines Mädchen, etwa zehn Jahre alt, wunderhübsch und etwas scheu, das seine Hand in die von Myrtle Malone gesteckt hatte.
    Â» Was tun Sie denn hier? « , fragte Elsa, noch bevor sie Iolanas Mann begrüßte.
    Â» Mister Akamu hat mich gebeten, ihn zu begleiten « , erwiderte die Missionarin süffisant. » Er hält mich für geeignet, um Ihnen ein paar Dinge zu verdeutlichen, und ich muss sagen, er hat recht. «
    Unter normalen Umständen hätte Elsa die heilige Myrtle und ihren angewiderten Blick, mit dem sie das Haus musterte, keine zwei Minuten auf ihrem Grundstück geduldet. Sie wäre in hohem Bogen hinausgeflogen, und Paulette hätte ihr vermutlich noch einen Tritt in den Hintern verpasst. Die Umstände waren allerdings alles andere als normal, daher hielt Elsa es für besser, die ohnehin hochkomplizierte Begegnung zwischen Iolana und ihrem Mann nicht mit einem Eklat zu beginnen.
    Als Akamu einen Schritt auf Iolana zuging, stellte Max sich vor sie. Die beiden Männer im direkten Vergleich zu sehen hätte amüsant sein können, wäre die Situation nicht so ernst gewesen. Der Polynesier war gut einen Kopf größer als Max, der keineswegs kleinwüchsig war, und in den Brustkorb des Fremden hätte der seines Rivalen zweimal hineingepasst. Als Max gesagt hatte, er sei sich nicht sicher, ob er allein mit Akamu fertigwürde, hatte er wohl gescherzt. Elsa zumindest war froh, dass Gung und zwei weitere Diener, recht sportliche Maori, anwesend waren.
    Â» Sie kommt nicht mit dir « , sagte Max, wobei er zu Akamu aufblickte. » Iolana hat mit dir vor langer Zeit abgeschlossen, und nichts, was du sagst oder tust, wird ihre Meinung ändern. «
    Akamu entgegnete nichts. Mit einer für seine Statur recht sanften Geste, die Elsa überraschte, winkte er das Mädchen zu sich heran, das offensichtlich seine Tochter war.
    Â» Mele, das ist deine Mutter. «
    Sacht schob er Mele auf Iolana zu. Max ließ die Kleine passieren, doch Iolana trat einen Schritt zurück. Verunsichert blieb die Kleine stehen. Mit ihren Kulleraugen, die herzerweichend waren, sah sie abwechselnd ihren Vater und ihre Mutter an und entschloss sich schließlich zu einem zweiten Versuch. Erneut näherte sie sich Iolana, streckte die Hand aus …
    Iolana rief: » Geh weg! «
    Ihre Reaktion fuhr wie ein Blitz in das Mädchen – und auch in Elsa. Sie erinnerte sich noch an ihre eigenen Kindertage, als man sie zwar nicht mit Worten, dafür jedoch mit Blicken ähnlich gescholten hatte. Wie eine Aussätzige hatten ihre Verwandten sie gemustert, und in derselben Weise verhielt sich Iolana. Sofort erklärte Elsa sich mit diesem kleinen, traurigen unschuldigen Wesen solidarisch, wohingegen sie Iolana gegenüber Unverständnis und Ärger empfand.
    Kinderlachen drang zu ihnen herüber. In einem anderen Teil des Gartens spielte Keanu mit der Nurse. Elsa und Akamu sahen