Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman
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Elsa sah Paulette verblüfft an. » Ja, natürlich. «
» Wenn du meinst ⦠Mir gefällt es ja auch nicht. Trotzdem haben wir kein Recht, Iolana zu bedrängen. «
» Mele muss noch ein Säugling gewesen sein, als Iolana sie verlassen hat. Was immer der Grund war, das Mädchen kann nichts dafür. Wenn sie eine Weile bei uns leben würde ⦠«
» Nicht gegen Iolanas Willen. Wir müssen jetzt für sie da sein und Verständnis zeigen. «
» Wie sollen wir sie verstehen, wenn sie nicht mit uns redet? «
» Auch das ist allein ihre Entscheidung. Elsa, ich rate dir, dich nicht einzumischen. Betrachte meine Worte, was Iolana angeht, als Dauerempfehlung. «
In der folgenden Nacht machte Elsa lange kein Auge zu. Zum einen sah sie immer Mele vor sich, die Kinderhand, die sich nach der Mutter streckte, die verschreckten Augen nach der Zurückweisung, der unsichere Schritt, die Sehnsucht nach einer Liebesbezeugung, die Dankbarkeit für jede erwiesene Freundlichkeit ⦠Die Vergangenheit ergriff wieder Besitz von ihr, und die beunruhigte Elsa seit jeher.
Aber noch etwas anderes hielt Elsa in jener Nacht wach. Nur wenige Meter von ihr entfernt, auf der anderen Seite des Flurs, übernachtete Max erstmals in der Villa, in Iolanas Zimmer. Hundertmal hatte sie ihn ganz beiläufig eingeladen, er könne gerne bei ihnen im Haus schlafen, und hundertmal hatte er abgelehnt. In aller Heimlichkeit war sie ihm stets dankbar dafür gewesen. Heute hatte er jedoch die Regel gebrochen â und dafür noch nicht einmal eine Einladung von Elsa benötig. Er war einfach geblieben. Iolana brauchte ihn.
Elsa wusste nicht, welche dieser beiden endlosen Gedankenschleifen sie schlieÃlich mitten in der Nacht aufstehen lieÃ, um den Anblick ihres schlafenden Sohnes zu suchen. Keanu hatte es besser als sie in seinem Alter, vielleicht wollte sie sich dessen noch einmal vergewissern. Er lebte in einem Haus mit Erwachsenen und Kindern, die ihn beachteten und niemals kränkten. Er war umsorgt, er schlief immer sehr ruhig, und es war Elsa oft eine Wohltat, ihn leise schnaufen zu sehen wie eine glückliche Katze, die von den Abenteuern des zurückliegenden Tages träumt.
Ihre Entscheidung stand fest. Sie würde Mele zu sich holen, ins Haus der blauen Schmetterlinge.
Elsa ging nur selten ins » Pacifico « . Da sie inzwischen zu einer gewissen Bekanntheit gelangt war, kam sie sich dort wie eine Sehenswürdigkeit vor, die von allen Seiten begafft wurde. AuÃerdem fühlte sie sich im Weg. Entweder Max oder Iolana wäre verpflichtet gewesen, sich mit ihr zu beschäftigen, und die beiden hatten wahrlich genug um die Ohren. Nicht zuletzt hätte sie dort aufgrund ihrer schlechten Erfahrungen jedes ihrer Worte besonders sorgfältig abgewogen. Kurz: Es wäre kein entspannter Aufenthalt gewesen, daher kam sie, wenn sie doch einmal vorbeischaute, nur in Begleitung Paulettes.
An jenem Abend, zwei Tage nach Akamus Auftritt in der Villa, war alles anders. Iolana hatte sich seither in ihrem Zimmer in der Villa eingeschlossen und lieà niemanden zu sich, auÃer Gung, der ihr zweimal täglich etwas zu essen brachte. Sowohl Elsa als auch Paulette hatten ein paarmal an ihre Tür geklopft, waren jedoch immer abgewiesen worden. Max hatte es erst gar nicht probiert, und Elsa fragte sich wieso.
Deswegen suchte sie ihn allerdings nicht auf.
Es herrschte reger Betrieb in der Cafébar. Die meisten Gäste saÃen drauÃen auf dem Steg und der Plattform, wo Fackeln im stetigen warmen Passatwind zuckten und hübsche Lichtflecke auf das pechschwarze Meer zeichneten. Die Bedienungen, grazile Polynesierinnen und stattliche Maoris, eilten hin und her, rein und raus, um den Andrang zu bewältigen. Hinter der Bar kümmerte sich Max um den Wein- und Bierausschank, während eine indische Aushilfe die Cocktails mixte. Der Innenraum war schummrig, die chinesischen Lampions streuten ihr Licht nur mit halber Kraft über das Interieur, das Palmwedeldach, die polynesischen Götter und die aus Bananenblättern geflochtenen philippinischen Schalen.
Elsa setzte sich an die Mondsichelbar, genau dorthin, wo Max gerade ein Tablett mit Gläsern und einer Flasche australischen WeiÃweins im Eiskübel bestückte. Sie merkte ihm an, dass er sich über ihr Erscheinen wunderte, sogar kurz erschrak. Doch ihre Augen gaben ihm zu verstehen, dass er sich
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