Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman
war, als würde man auf Knochenreste stoÃen.
» Gar nichts. «
» Raus damit. «
» Titus meine ich. Titus! «
Im Lauf der letzten Jahre war Elsa zu der Gewissheit gelangt, dass Paulette Titus damals vergiftet hatte. Letztlich war es die Art, wie die Französin ihre Geschäfte führte: entschlossen, zielstrebig, konsequent. Während Iolana einen Monat brauchte, um sich zu entscheiden, ob sie eine Wand im Café nun blau oder gelb streichen solle, wickelte Paulette zehn Händel am Tag ab. Sie war mit allen Wassern gewaschen, beschäftigte eine ganze Kompanie von Schnüfflern, die ihr entscheidende Informationen lieferten, und pokerte bei Verhandlungen in einer Weise, dass selbst groÃe Konzerne oft das Nachsehen hatten.
Wie sich zeigte, hatte Elsa der Instinkt nicht im Stich gelassen. Paulette reagierte sofort.
» Ich spiele nicht falsch, sondern handele immer im Rahmen der Regeln « , sagte sie. » Wenn jemand die Regeln verändert, dann gilt das auch für mich. Titus war ein Betrüger. Er war zwar manchmal amüsant, aber immer hinterhältig und egoistisch, kalt bis ins Herz. Er wollte uns abservieren. Ich habe mich lediglich seiner Spielweise angepasst, und er hat verloren. «
Mit groÃen Augen sah Elsa ihre Freundin an. » Aus deinem Mund hört es sich an, als ginge es um Monopoly. «
Paulette zuckte mit den Achseln. » Es ist wie überall im Leben, es gibt Gewinner und Verlierer. Ich kann nicht jeden Kaufmann beweinen, den ich erfolgreich ausgestochen habe, sonst würde ich mich nach wenigen Monaten erhängen ⦠oder pleitegehen. Ein Olympionike kann sich auch nicht Gedanken darüber machen, wie enttäuscht seine Konkurrenten sein werden, wenn er ganz oben auf dem Treppchen steht. «
» Du findest, das ist dasselbe wie ⦠wie ⦠du weiÃt schon? « , fragte Elsa entsetzt.
» Na ja, vielleicht hinkt der Vergleich ein wenig. «
» Ich würde sagen, er sitzt im Rollstuhl. «
» Tu nicht so, als hättest du nicht selbst schon mal daran gedacht. «
Es kam Elsa skurril und ungeheuerlich vor, dass sie bei einer Tasse Tee und Gebäck über Mord sprachen, auch wenn sie das Wort wie einen Strudel umschifften.
» Daran denken und es tun ist zweierlei. «
» Das ist völlig richtig. Wenn man nur daran denkt, ändert sich gar nichts. Wenn ich eine Sache gelernt habe, dann, dass man, wenn man in der ScheiÃe sitzt, verdammt noch mal da wieder raus muss. Und wir sitzen ganz schön tief in der ScheiÃe. «
Neun Jahre war es erst her, neun kurze Jahre, dass Elsa nach Port Rabaul gekommen war. Sie war eine junge, leicht naive Frau gewesen, und wenn ihr damals jemand gesagt hätte, dass sie in ein paar Jahren ernsthaft in Erwägung ziehen würde, einen Mord zu begehen, hätte sie wohl geantwortet: Was noch? Zum Mond fliegen vielleicht? Einen Pygmäenkönig heiraten? Dreihundert Pfund wiegen?
Es war ihr über viele Jahre hinweg zur Natur geworden, stets nur zu reagieren und nicht zu agieren, das Leben nicht aktiv zu gestalten. Prinzessin war sie von Geburt an gewesen, Kurtisane aus Abhängigkeit geworden. Die Millionen waren ihr gewissermaÃen in den Schoà gefallen, an ihrer Verwendung hatte Paulette maÃgeblichen Anteil, Keanu wurde von alleine groÃ, und was die Entziehungskur anging, so sah sie den Klinikaufenthalt lediglich als Korrektur ihres eigenen Versagens an. Durch Ungeschicklichkeit und Passivität hatte sie Max verloren. Das Einzige, was sie jemals aus eigener Kraft erobert hatte, war Mele.
Elsa liebte Mele nicht weniger als Keanu. Dem Mädchen gegenüber war sie sogar von einer noch gröÃeren Fürsorge, weil es in seinem Leben schon so viel Liebe und Aufmerksamkeit hatte entbehren müssen und auch jetzt noch unter Iolanas Ablehnung litt. Trotzdem ging es mit jedem Tag ein wenig mehr aus sich heraus, fasste Zutrauen zu Elsa und vermisste seinen Vater und die Heimat schon bald nicht mehr. Das Lachen dieses Kindes oder wenn es seine Hand in Elsas schob, gab Elsa jedes Mal das gute Gefühl, richtig gehandelt zu haben. Sie hatte ein Kind entführt und damit ein Verbrechen begangen, doch der Erfolg heiligte im Nachhinein das Mittel.
Paulette hatte die Sache auf ihre herrlich derbe Art auf den Punkt gebracht. Irgendetwas musste geschehen. Was, wenn sie Henning entführten und irgendwo gefangen hielten? Für wie lange? Zehn Jahre,
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