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Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman

Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman

Titel: Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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dass er ahnungslos bliebe. Er fragte nicht die Leute aus, er hörte keinem Klatsch zu, er spionierte niemandem nach. Sah man von seiner Lüge wegen der Approbation ab, war er stets aufrichtig zu ihr gewesen, wohingegen sie sich die meiste Zeit verstellt hatte, in den verschiedensten Lebenslagen und aus den unterschiedlichsten Gründen. Sie hatte wirklich kein Recht, ihm Vorhaltungen zu machen. Und doch: Manchmal wünschte sie sich, er würde ihr Dilemma erkennen, er hätte die Gabe, in ihr Herz zu sehen, er würde von sich aus hinter einige der Geheimnisse kommen, die sie vor ihm verbarg.
    Â» Machst du mir bitte noch einen Gin Pahit? «
    Â» Ungern. «
    Ich tue auch ein paar Dinge ungern, dachte sie. » Hauptsache, du machst ihn. «
    Gedankenverloren sah sie ihm zu, wie er Gin und Angostura verrührte, Eiswasser dazugab und den Drink in einen Kelch abseihte. Plötzlich ließ er alles stehen und liegen und rannte hinaus auf den Steg. Da erst hörte Elsa laute Rufe. Sie folgte Max und sah, dass Henning sich an Paulettes Tochter Lucille vergriff, die ebenso wie Lucas ab und zu als Bedienung im » Pacifico « aushalf. Lucas lag am Boden, offenbar hatte Henning ihn niedergeschlagen, als er versucht hatte, seiner Schwester zu Hilfe zu kommen. Die sportliche Lucille wehrte sich nach Kräften. Gegen Hennings Übermut, der von seinem Sieg über Elsa herrührte, verbunden mit der Entschlossenheit eines Angetrunkenen, konnten jedoch weder Lucille noch Lucas etwas ausrichten.
    Max stürzte sich von hinten auf Henning. Er riss ihn mit solchem Schwung von dem Mädchen los, dass sie beide das Gleichgewicht verloren, das Geländer durchbrachen und ins Wasser fielen.
    Henning rang nach Luft. Zuerst glaubte Elsa, Max hätte ihn untergetaucht. Dann bemerkte sie, dass Henning auch ohne fremdes Zutun Mühe hatte, sich über Wasser zu halten.
    Â» Ich kann … ich kann nicht … schwimmen! « , rief Henning.
    Elsa war überrascht. Da erst fiel ihr auf, dass sie Henning tatsächlich nie hatte schwimmen sehen, obwohl sie in Samoa mehrere Monate zusammen verbracht hatten.
    Max rettete den Deutschen und schleppte ihn an Land. Niemandem war etwas passiert.
    Hennings Worte wollten Elsa nicht mehr aus dem Kopf gehen: Ich kann nicht schwimmen.
    Â» Wir müssen endlich etwas gegen diesen Schweinehund unternehmen « , sagte Paulette, als sie von ihrer Geschäftsreise nach Singapur zurückkehrte und von dem Vorfall im » Pacifico « erfuhr.
    Natürlich wusste Elsa, was ihre Freundin meinte, brachte aber keine Erwiderung zustande.
    Â» Für mich stellt sich die Sache so dar « , fuhr Paulette fort, » dass Henning dabei ist, uns alles zu nehmen, was wir haben: unsere Sicherheit, unser Selbstbewusstsein, unsere Würde. Daher haben wir das Recht, ihm alles zu nehmen, was er hat, und er hat nichts weiter als sein Leben. «
    Elsa rang mit sich. Was die Analyse betraf, hatte Paulette vollkommen recht. Henning war dabei, Elsas Leben systematisch zu zerstören, ganz egal ob er seinen Trumpf eines Tages ausspielen würde oder nicht. Er nahm ihr die Hoheit über ihr Zuhause, raubte ihr den Schlaf und verhielt sich wie ein Räuberhauptmann, der keine Obrigkeit zu fürchten braucht. Seine Tyrannei betraf zunehmend auch die anderen Familienmitglieder. Was, wenn er morgen Lucille vergewaltigte? Sie könnten das Verbrechen nicht zur Anzeige bringen.
    Gegen Paulettes Schlussfolgerung hingegen wehrte sich alles in Elsa. Mit Henning teilte sie Erinnerungen, und auch wenn viele davon eher unerfreulich waren, so war er doch einmal ein Teil ihres Lebens gewesen. Sie hatten sich geküsst, Hochzeit gefeiert, miteinander geschlafen, ein Kind gezeugt, sie waren Hand in Hand an den Stränden von Samoa spazieren gegangen … Gewiss, jedwedes positive Gefühl für ihn war verglommen, wohingegen ihr Abscheu vor ihm wild aufloderte. Trotzdem tat sie sich schwer, das Herz eines Mannes, für den einst ihr Herz geschlagen hatte, zum Stehen zu bringen. Das war zwar nichts weiter als Nostalgie, aber Nostalgie war stets ein mächtiges Gegengewicht zur Realität.
    Â» Ich bin nicht wie du « , sagte Elsa. » Ich kann das nicht. «
    Paulette straffte ihren Körper. » Nicht wie ich? Was willst du damit sagen? «
    Elsa zögerte, obwohl sie genau wusste, was sie sagen wollte. Seit sechs Jahren schwiegen sie alle zu diesem Thema. Es nun hervorzuholen

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