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Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman

Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman

Titel: Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Lust gehabt, ins Bett zu gehen. Er hatte sich das Boot des » Pacifico « genommen, war in die Bucht hinausgefahren, hatte dort eine weitere Flasche geleert, war gestolpert und ins Meer gefallen. Als Nichtschwimmer und noch dazu benommen war er binnen Sekunden ertrunken.
    So weit die Theorie.
    Als Elsa neben dem Schlafenden im Boot saß, fiel fahles Mondlicht in sein helles, seltsam unschuldig wirkendes Gesicht. Da war er wieder, der kleine Junge, der nie jemandem etwas hatte recht machen können. Der junge Mann, der um sie geworben hatte. Der Erste seit ihrem Vater, für den sie mehr gewesen war als nur ein lästiges Anhängsel.
    Seltsamerweise musste sie plötzlich an Keanu denken. Henning war nicht nur Elsas früherer Ehemann, er war auch jemandes Sohn, und die Vorstellung, einer Mutter den Sohn zu nehmen, war so ungeheuerlich, dass sie auf einmal wie gelähmt war.
    Sie verlor jegliches Zeitgefühl. Das kleine Boot schaukelte für eine ganze Weile auf den Wassern der Matupi Bay, ohne dass etwas geschah. Henning schnarchte leise, und dieses Geräusch war so menschlich, dass Elsa es einfach nicht fertigbrachte, ihn für immer zum Schweigen zu bringen.
    Â» Nein, ich darf das nicht tun « , flüsterte sie mit dem Wind, der in die Bucht strömte.
    Noch konnte sie zurück. Nichts einfacher als das. Sie bräuchte nur in die Bootsgarage zu fahren und auszusteigen. Morgen früh würde Henning erwachen oder von jemandem aus dem Café entdeckt werden und sich an nichts erinnern.
    Â» Nein « , sagte sie noch einmal, wie um sich selbst Trost zu spenden. » Nein, nein. «
    In diesem Moment schlug Henning die Augen auf.
    Möglicherweise hatte Elsas Stimme ihn aufgeweckt. Vielleicht war es aber auch ein Ruf gewesen, jener Warnruf aus den Tiefen des Unterbewusstseins, der stärker war als der Alkohol und das Schlafmittel und ihm die tödliche Gefahr signalisierte.
    Henning war stark benommen und trotzdem unruhig. Seine Augen flatterten, sein Atem ging schnell.
    Â» Wo bin ich? « , fragte er und richtete den Oberkörper auf. Angestrengt versuchte er sich zu orientieren. » Was …? Wie …? « Der Instinkt des Opfers zeigte ihm die Bedrohung auf, anders war das, was dann passierte, nicht zu erklären.
    Â» Du Miststück! « , rief er plötzlich und sprang Elsa an.
    Â» Henning, nicht! « Elsa wehrte sich nach Kräften. Sie fiel auf den Rücken und schaffte es zunächst, Henning auf Distanz zu halten. Seine Bewegungen waren unkoordiniert, und er wurde von Schwindel gepackt.
    Â» Beruhige dich « , sagte sie. » Es ist anders, als du denkst. Alles ist gut. «
    Kaum waren die Worte ausgesprochen, stürzte er sich erneut auf sie, und diesmal legte er beide Hände um ihre Kehle und drückte zu. Elsa bekam keine Luft mehr, und so sehr sie auch strampelte, konnte sie sich nicht aus seinem Würgegriff befreien.
    Das Boot schwankte stark.
    So als hätte Gott oder der Teufel die Finger im Spiel, rollte Elsa mit einem Mal die Champagnerflasche direkt in die hilflos tastende Hand. Intuitiv ergriff sie den Flaschenhals – und schlug zu.
    Am Hinterkopf getroffen, wankte Henning. Elsa nutzte den Moment und stieß ihn so kräftig an den Schultern von sich, dass er hintenüber ins Meer fiel.
    Nicht anders, als würde ein Stein auf Wasser treffen, wurde Hennings Körper vom Pazifik verschluckt. Drei, vier Sekunden vergingen, entsetzlich stille, atemlose Sekunden inmitten der Dunkelheit. Sieben, acht. Das Meer war eine nahezu glatte Fläche, auf die das von Wolken gefilterte Mondlicht einzelne verzerrte Punkte malte. Zwölf, dreizehn.
    Eine Hand erschien am Bootsheck, klammerte sich an der Planke fest. Hektische Atemgeräusche. Gurgeln.
    Elsa kroch auf allen vieren zum Heck und versuchte, Hennings Hand von der Planke zu lösen. Vergeblich – die Todesangst verlieh dem Benommenen, Betrunkenen, Angeschlagenen ungeahnte Kräfte. Elsa wusste sich keinen anderen Ausweg mehr. Mit einem Schrei, der aus tiefster Lunge kam, holte sie aus und schmetterte die Champagnerflasche auf Hennings Hand.
    Sein Griff löste sich. Das war das Letzte, was sie von Henning sah. Zitternd und unter Tränen zählte sie bis hundert. Auch danach rührte sie sich eine ganze Weile nicht von der Stelle.
    Sie wusste, sie musste nun zurück an Land schwimmen, doch sie wusste auch, dass irgendwo unter ihr Hennings Leichnam trieb. Dieser

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