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Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Titel: Das Haus der bösen Mädchen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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beschloss, eine kleine Pause zu machen, sich zu waschen und einen Schluck Wasser zu trinken. Er löschte das Licht und glitt lautlos ins Bad, betrachtete die Einrichtung in Türkis und Malachit, die vergoldeten Wasserhähne mit den glitzernden blauen und grünen Steinen, und flüsterte: »Meine Fresse, diese Schweine!«, und spie einen saftigen Batzen in die zartblaue Wanne.
    Nachdem er mühsam die Handschuhe abgezogen hatte, warf er sie aufs Regal und drehte den Wasserhahn auf. Die Seife roch nach frischen Maiglöckchen. Schnaufend vor Wonne, erwog er zu duschen, verwarf die verlockende Idee jedoch. Durch das Wasserrauschen hindurch glaubte er merkwürdige Laute zu vernehmen. Als miaue ganz in der Nähe klagend eine Katze. Er wusste genau, dass die Solodkins keine Haustiere hielten. Aber vielleicht kam das Miauen ja aus der Nachbarwohnung. Im Bad nimmt man Geräusche bekanntlich verstärkt wahr. Zur Aufmunterung fluchte er kurz, dann hörte er deutliches Kinderweinen, Schritte und eine verschlafene Frauenstimme.
    »Wer wird denn da gleich weinen, Mascha! Eine volle Windel – na und! Das kann jedem mal passieren!«
    Im nächsten Augenblick stand ein etwa fünfzehnjähriges Mädchen mit einem Baby auf dem Arm auf der Schwelle.
     
    Xenia hatte, seit ihr Kind geboren war, ein neues Organ entwickelt, eine Art drittes Auge oder eine zusätzliche Drüse, die ein Alarmhormon produzierte. Einen aktiven Ausstoß dieses Hormons bewirkten sehr schnell fahrende Autos, kochende Wasserkessel, Steckdosen, spitze und scharfe Gegenstände, kleine, auf den ersten Blick harmlose Dinge wie Münzen, Knöpfe, Nähnadeln, Perlen und Büroklammern. Als sie einen unbekannten Mann in hellblauen Jeans und dunkelblauem T-Shirt, mit nassem Gesicht und zusammengekniffenen Augen im Bad stehen sah, verspürte sie ein heftiges Pulsieren im Magen. In Sekundenbruchteilen schossen ihr mehrere vernünftige, tröstliche Erklärungen durch den Kopf. Er war lautlos hereingekommen, also hatte er einen Wohnungsschlüssel und eine Magnetkarte für den Hauseingang. Das Türschloss war ziemlich raffiniert, ein nagelneues deutsches Modell. Vermutlich war er einer von Olegs zahlreichen Bekannten und hatte den Schlüssel von Oleg bekommen. Würde ein Einbrecher sich etwa waschen? Er war unbewaffnet und sah ganz anständig aus. Sie sollte ihn erst einmal fragen, wer er war und was er hier machte, bevor sie erschrak.
    Doch die tröstlichen Erklärungen lösten sich in Nichts auf. Xenia spürte, nicht nur im Magen, sondern am ganzen Leib, dass der nächtliche Besucher Gefahr bedeutete, wie ein Auto mit betrunkenem Fahrer, wie ein kochender Wasserkessel auf der Tischkante. Ihre linke Hand langte automatisch auf das Regal neben der Tür, nach dem französischen Deospray. Sie brauchte nur eine Sekunde, um es zu greifen, den Deckel abzunehmen und dem Mann einen heftigen Stoß in die zusammengekniffenen Augen zu sprühen. Er schrie dumpf auf und schlug reflexartig die Hände vors Gesicht. Mascha, die sie sich unter den Arm geklemmt hatte, brüllte ohrenbetäubend.
    Noch ehe der Mann zur Besinnung gekommen war, schlug die Badtür schon zu und wurde von außen abgeschlossen. Das Schloss war simpel und von innen leicht zu öffnen, aber der Lichtschalter für das Bad war außen, und im nächsten Augenblick stand der nächtliche Besucher im Dunkeln.
    Xenia griff nach Handy und Schlüssel, rannte ins Treppenhaus hinaus, schloss die Tür von außen ab und wählte die Miliz-Notrufnummer 02.
    Eine Verständigung war praktisch unmöglich. Mascha schrie wie am Spieß. Die Frauenstimme am anderen Ende der Leitung fragte mehrmals, was denn passiert sei, ehe sie sich endlich nach der Adresse erkundigte und Xenia die Nummer des zuständigen Reviers diktierte. Mascha brüllte empört, denn sie verstand nicht, was los war und warum Mama sie nicht von der vollen Windel befreite. Xenia drückte auf den Fahrstuhlknopf und klingelte, während sie wartete, vorsichtshalber bei allen Nachbarn, doch wie erwartet reagierte niemand.
    Im Lift hatte das Handy keinen Empfang. Die Nummer des Milizreviers vor sich hin murmelnd wie eine Beschwörungsformel, rannte Xenia aus dem Haus, setzte sich auf eine Bank und wählte endlich.
    »Mach erst mal die Musik aus, Mädchen«, verlangte eine Männerstimme.
    »Das ist keine Musik, mein Kind weint!«, schrie Xenia in den Hörer und spürte, dass sie gleich selbst losheulen würde.
    »Dann legen Sie es kurz ab, ich kann Sie nicht verstehen.«
    »Das geht

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