Das Haus der bösen Mädchen: Roman
Major spöttisch.
»Manchmal«, gestand Borodin bescheiden und mit einem ebenfalls spöttischen Lachen. »Aber man muss kein großer Psychologe sein, um zu bemerken, wie ungern Sie über Ihr Gespräch mit dem Unterleutnant reden wollen.«
Der Blick des Majors wurde bösartig; er starrte auf Borodins Nasenwurzel, kniff die Lippen zusammen, und Schweißperlen traten ihm auf die Stirn.
»Meinen Sie nicht, Genosse Untersuchungsführer«, sagte er leise und einschmeichelnd, »dass Sie sich da in fremde Angelegenheiten einmischen?«
»Das meine ich nicht.« Borodin schüttelte den Kopf. »Meine Fragen an Sie haben mit dem Fall zu tun, der mich augenblicklich beschäftigt. Glauben Sie mir, das ist keine müßige Neugier. Und was Ihr Gespräch mit Teletschkin angeht, muss ich gestehen, dass es mir dabei weit mehr um Ihre Reaktion ging als um den Inhalt des Gesprächs. Schön, ich will Sie nicht weiter beanspruchen, es ist spät, Sie sind müde, und ich auch. Dürfte ich eine Kopie des Gutachtens über den Tod des Bürgers Rjurikow sehen?«
»Sie meinen den Penner, der seine Lebensgefährtin erstochen hat?« Der Major kniff die Augen zusammen. »Das kann ich Ihnen auch so sagen: Alkoholvergiftung.«
»Ich würde trotzdem gern einen Blick auf das Dokument werfen. Wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
»Bitte, meinetwegen.« Der Major riss eine Schreibtischladeauf, kramte darin, zog eine graue Aktenmappe heraus, öffnete sie und entnahm ihr den Totenschein.
»Darf ich das mitnehmen?«
»Selbstverständlich. Kann ich Ihnen sonst noch irgendwie behilflich sein, Genosse Untersuchungsführer?«
»Eigentlich nicht.« Borodin stand auf. »Alles Gute, Major. Aber rufen Sie trotzdem mal im Krankenhaus an, wo Ihr Mitarbeiter Nikolai Teletschkin liegt, und wenn es Ihre Zeit wirklich nicht erlaubt, beauftragen Sie jemand anderen damit. Für alle Fälle.«
»Wieso, gibt es etwas Neues?«, erkundigte sich der Major, unverhohlen gähnend. »Heute Vormittag hieß es, sein Zustand sei kritisch.«
Bevor Borodin darauf antworten konnte, ertönten draußen Gepolter und der verzweifelte Schrei einer Frau: »Lass mich rein, sag ich! Du musst mich nicht festhalten! Ich bin von selber gekommen, ich laufe schon nicht weg!«
»Und ich sag, du darfst da nicht rein!«, brüllte ein empörter Bass.
»Wo ist der Chef?«
»Ich sag dir doch, er ist nicht da! Hau ab, ich sags dir im Guten!«
Der Major ging zur Tür und riss sie auf. Draußen stand eine glatzköpfige Frau in einem zerrissenen Kleid.
»Ha!«, rief die Frau. »Ich wusste doch, dass du lügst! Er ist da!« Und dann fuhr sie in jammerndem Klageton fort: »Ich bin von mir aus gekommen, Bürger Natschalnik, ich will eine Aussage machen, ich hab nämlich mit eigenen Augen gesehn, wie euer kleiner Leutnant angestochen wurde.«
»Was soll das Gequatsche, dummes Weib«, zischte der Major leise, »raus hier, aber schnell!«
»Aber ich will aussagen! Ich bin eine Zeugin!«, murmelte die Frau verwirrt.
»Raus!«, wiederholte der Major und wollte die Tür schließen. »Kolesnikow, schafff sie weg!«
»Augenblick«, meldete sich Borodin, »sie will eine Aussage machen. Warum werfen Sie sie raus? Was soll das?«
»Jetzt reichts aber«, brüllte der Major, »alles hat seine Grenzen, Genosse Untersuchungsführer. Sie überschreiten Ihre Kompetenzen. Hier bin ich der Chef, und ich verbitte mir …«
Borodin schüttelte traurig den Kopf. »Sie haben recht, Major, alles hat seine Grenzen. Dass Sie Ihren Unterleutnant vor der Zeit begraben und sich nicht einmal die Mühe machen, sich nach seinem Befinden zu erkundigen, mag noch angehen. Aber dass Sie als Revierchef noch immer nicht wissen, dass das, was Ihrem Mitarbeiter in Ihrem Revier zugestoßen ist, keineswegs ein Unfall war …«
»Was denn?«, schnaubte der Major. »Was ist ihm denn zugestoßen? Klären Sie mich auf, seien Sie so freundlich!«
»Ein Mordanschlag. Eine Stichwunde«, erwiderte Borodin knapp. »Wo kann ich mit der Zeugin sprechen?«
»Kolesnikow, bring sie in Zimmer sieben!« Der Major sah Borodin so hasserfüllt an, dass seine Augen zu glühen schienen. Borodin lächelte liebenswürdig.
»Wer sind Sie denn?«, fragte die Frau, als er mit ihr in einem winzigen Raum mit einem zerschrammten Schreibtisch, vergittertem Fenster und einem ebenso riesigen Ventilator wie im Zimmer des Chefs saß.
Borodin stellte sich vor und bat die Frau, sich auszuweisen.
»Kann ich nicht«, seufzte sie. »Ich hatte mal einen Ausweis, aber den
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