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Das Haus der Bronskis

Das Haus der Bronskis

Titel: Das Haus der Bronskis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Marsden
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Helena gesteht in ihrem Bericht, daß sie von den zunehmenden Spannungen nichts gemerkt habe. Immer aber habe sie die Pferde wahrgenommen.
    Sie bestand die Prüfung mit Auszeichnung. Die Leiter der englischen Schule   – ein seltsames Paar, bekannt als Miss Sanders und Mr.   Pike   – sagten, es sei im Krieg nicht möglich, Lehrer aus England zu holen, wie es ihrer pädagogischen Linie entspräche, ob sie vielleicht eine Klasse übernehmen könne?
    »Die herrliche Sprache Shakespeares verbreiten«, seufzte Miss Sanders. »Gewißlich eines der edelsten Dinge, die ein junger Mensch tun kann.« Und Helena fühlte sich genügend geschmeichelt, um einzuwilligen.
    Angetan mit einer grauen Strickjacke, stieß sie daher am Montag darauf um fünf Uhr nachmittags eine Milchglastürmit der Aufschrift »FORM IV   – Berkshire (Only English spoken)« auf. Ein Pulk starr auf sie gerichteter russischer Augen begrüßte sie. Man hatte ihr eine Klasse mit dreiundzwanzig Kanzleibeamten zugewiesen.
    Sie stellte sich auf englisch vor. Die Augen starrten weiter.
    Sie stand vor der Tafel und legte die Hände auf die Lehne ihres Stuhls. »What is this?«
    Die Augen blinzelten.
    »This is a
chair

    »A sheer . . . a cheer . . . a jair . . .«
    Die erste Stunde war eine zähe Angelegenheit. Keiner aus der Klasse konnte ein Wort Englisch, und Helena war schüchtern. Sie war nie mit so vielen Männern allein in einem Raum gewesen.
    Doch in den nächsten Wochen machten sie Fortschritte. Die Kanzlisten erwiesen sich als wißbegierig und gutmütig. Helena fing an sie zu mögen, und manchmal dehnte sie den einstündigen Abendunterricht auf zwei oder sogar drei Stunden aus. Bald lasen sie schon die Äsopschen
Fabeln
und führten stockende Diskussionen über Ziegen, Löwen und Vögel. Der Schnee lagerte sich bogenförmig an den Fenstern ab und dämpfte die Straßengeräusche.
    Vielleicht hat Miss Sanders recht, dachte Helena. Sie erwog, Lehrerin zu werden, um die »herrliche Sprache Shakespeares« verbreiten zu helfen.
     
    In Petersburg verfügten die O’Breifnes nur über sehr wenig Geld. Ihr Leben war bescheiden und einfach, und Helena störte das. Als sie ihr erstes Gehalt bekam, sagte sie zu ihrer Mutter: »Schluß mit der Sparerei!«, ging in den Gostinyj Dwor und kaufte ihr eine Armbanduhr. Es war ein Geschenk mit Widerhaken. Die Beziehung zwischenMutter und Tochter verschlechterte sich zusehends. Eines Sonntagnachmittags kam Helenas Mutter dazu, wie diese sich am Telefon bei Andrzej beklagte. Sie schrie sie an: »Nur Näherinnen telefonieren mit Männern!« und riß ihr den Hörer aus der Hand.
    Helena drehte sich zornig zu ihr um. »Mama, er hat etwas gesagt . . . Andrzej hat gesagt, er habe Papa gesehen. Wieso weiß ich nichts davon? Warum wohnt er nicht hier bei uns?«
    »Das geht dich nichts an. Er ist krank.«
    »Er ist mein Vater! Ich möchte ihn sehen.«
    »Das werde ich nicht zulassen.«
    Doch über Tante Ziuta fand Helena heraus, daß er sich eine kleine Wohnung am Newskij Prospekt genommen hatte. Auf der Stelle ging sie dorthin. Im Hof war der Schnee nicht geräumt. Sie stieg die Treppe hinauf, und als er die Tür öffnete, mußte sie sich zusammenreißen, um ihn normal zu begrüßen. Er sah sehr krank aus. Sein Gesicht war ausgezehrt und fahl; die Uniform hing ihm lose um Schultern und Hüften. Er hatte schwarze Flecken unter den Augen, und doch wirkte er seltsam verjüngt. Er wies Helena einen Schreibtischstuhl an und setzte sich ihr gegenüber.
    »Hela, meine liebe Hela!« Er lehnte sich vor und ergriff ihre Hand. »Du bist erwachsen, Helenka. Du siehst wohl, daß deine Mutter und ich nicht miteinander auskommen.«
    »Aber warum, Papa?«
    »Ich sollte ihr versprechen, die Frau nie wiederzusehen, die ihr Tante Janienka nennt. Das Versprechen konnte ich ihr nicht geben, also will sie nichts mehr von mir wissen. Sie braucht mich nicht mehr.«
    »Wie können wir uns sehen? Ich muß dich sehen, unbedingt!«
    Er hob die Hände und lächelte. »Schon gut, Hela, laß uns folgendes tun. Ich werde dich jeden Abend von der Englischschule abholen, wir gehen zu mir und essen hier zu Abend, und danach bringe ich dich nach Hause. Erzähl deiner Mutter, daß du in der Schule ißt, und niemand wird Fragen stellen.«
    Seither saß er jeden Abend auf einer Holzbank im Eingangsflur der Englischschule und wartete darauf, daß Helenas Unterricht zu Ende war. Und unter den grinsenden russischen Kanzlisten und dem spärlich bestückten

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