Das Haus der Feuerfrau (German Edition)
Gasthaus weit draußen am Stadtrand versuchen. Dort nähmen sie immer Aushilfen auf. Es würden keine Fragen gestellt, umgekehrt aber auch erwartet, dass
ich
keine Fragen stellte, und ich müsste mich mit ein paar ... Unbequemlichkeiten abfinden, aber sonst sei alles in Ordnung. Ich fuhr also hinaus zu Schimeks Gasthaus –“
„Was?“, rief Alec.
Robert blickte ihn verdutzt an. „Kennst du es etwa?“
Alec wischte demonstrativ eine Hand an der anderen ab und stieß geräuschvoll die Luft aus, äußerte aber nur: „Erzähl weiter.“
Robert fuhr fort. „Es lag wirklich am Ende der Welt, in einer Gegend, in der nur einmal täglich ein Bus der Orangen Linien vorbeikam, aber es sah ganz nett aus. Ein richtiges altes Gasthaus mit grünen Fensterläden und einem Boden aus geölten Parketten und einer mit Zinkblech beschlagenen Schank. Der Wirt war ein kleiner krummbeiniger Kerl, dessen Brille auf einer Seite verklebt war, und ich brauchte nur einen Blick auf ihn zu werfen, um zu sehen, dass ich es da mit einem zu tun hatte, der mit dem Teufel per Du war. Aber damals wusste ich schon sehr gut, dass Hunger weh tut, und ich hatte gelernt, für einen Teller warme Suppe höflich danke zu sagen, egal, wer sie mir reichte. Schimek erklärte mir, er könnte nicht viel bieten, eine Matratze und eine Decke im Heizkeller und die Reste, die in der Küche übrig blieben, aber das war mir recht. Übrigens war das Essen, was ich wirklich nicht erwartet hatte, sehr gut.“
Alec lächelte dünn. „Ja, das Essen ist so ziemlich das Einzige, was dort in Ordnung ist. Das Haus –“
Ich deutete ihm heftig, er sollte Robert nicht unterbrechen, und er gehorchte. Unser Freund erzählte weiter: „Also putzte ich einen Winter lang seine Toilette, fegte die Gaststube, trug den Müll hinaus und machte jede Drecksarbeit, die er mir anschaffte. Es dauerte nicht lange, bis er den ehemaligen feinen Pinkel in mir erkannt hatte und sich einen Spaß daraus machte, mich wie einen Sklaven zu behandeln. Er duzte mich, aber ich musste ihn mit ‚Sie‘ und ‚Herr Schimek‘ ansprechen. Ich bekam wie ein Hund meinen eigenen Napf, eine alte blau emaillierte Schüssel, die ich nie vergessen werde, und durfte nicht von anderen Tellern essen. ‚Reste aus der Küche‘ hieß auch nicht, dass ich das bekam, was beim Kochen übrig blieb, sondern das, was beim Abtragen auf den Tellern der Gäste zurückgeblieben war! Das putzte er in meine Schüssel wie in einen Abfalleimer, und ich musste in einem Winkel der Küche auf einem Schemel hocken und dort mein Futter fressen.“ Er grinste sardonisch. „Aber immerhin wurde mir gestattet, Messer und Gabel zu benutzen.“
„Und die ‚Unbequemlichkeiten‘, vor denen man dich gewarnt hatte?“, warf ich ein.
„Die bestanden darin, dass ich die Nacht über – und mehrmals auch über Tage hinweg – in den Keller gesperrt wurde. Ich muss sagen, ich bekam in der Zeit genug zu essen, aber es war doch wie tagelange Isolationshaft. Entweder ließ ich das Licht brennen, dann fühlte ich mich in dem fensterlosen Raum wie in einer Todeszelle, oder ich drehte es ab, dann kam ich mir vor wie lebendig begraben. Und natürlich fragte ich mich, was sich da oben abspielte, denn es war ganz offenkundig, dass Schimek mich einsperrte, damit ich nicht mitkriegen sollte, was in seinem Gasthaus vor sich ging. Zumindest einmal, um Mittwinter herum, war es ein tagelanges wüstes Fest, nach dem Lärm zu schließen, der bis in den Keller drang. Aber natürlich habe ich mich gehütet, Fragen zu stellen ... ich habe nicht umsonst als Berufsverbrecher Karriere gemacht und wusste, wann man sich blind, taub und blöde stellen muss.“
„Ich würde sagen, das ist der Grund, warum du gesund und lebendig hier sitzt“, bemerkte Alec trocken. „Ich möchte nicht wissen, wie viele, die die Klappe nicht halten konnten, jetzt mit einem Betonsockel an den Füßen in den schwarzen Tümpeln im Mondmoor stehen.“
„Siehst du, so ist doch alles zu etwas gut“, versetzte Robert und begann auf eine Weise zu lachen, dass ich mich fragte, wann er in Tränen ausbrechen würde. „Es war aber nicht nur Klugheit oder Gerissenheit, die mich bewogen zu schweigen, es war auch so, dass mich die Welt rundum überhaupt nicht interessierte. Was immer um mich herum vorging, ich stand stumm und blöde daneben. Ich lebte eine Zwischenexistenz ... ein Dasein, in dem ich oft selbst nicht wusste, ob ich tatsächlich existierte oder als mein eigenes Gespenst
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