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Das Haus der Feuerfrau (German Edition)

Das Haus der Feuerfrau (German Edition)

Titel: Das Haus der Feuerfrau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Büchner
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noch, viele Jahre nach ihrem Tod, schien er zu denken, dass er ihr Unrecht tat, wenn er mit einer anderen Frau schlief.
    Er schützte die kostbare Erinnerung an sie, indem er alles für tabu erklärte, was er mit ihr erlebt hatte. Was er mit ihr getan hatte, wollte er nicht mit mir tun, was ihr gehört hatte, durfte nicht mir gehören. Ich merkte bald, dass er sein Sexualleben säuberlich in verschiedene Bereiche aufteilte, die einander nie überlappen durften. Da war – wie eine Nische in einem Wachsfigurenkabinett – die Erinnerung an Louise, die für ihn (obwohl er das nicht laut zu sagen wagte) zweifellos „sauberen“ Sex repräsentierte. Da war sein wüstes masochistisches Bedürfnis, vor dem er sich selbst immer wieder ängstigte, und
les jeux,
die er eher als die Behandlung einer Krankheit betrachtete denn als legitime sexuelle Begegnungen. Und zuletzt war da sein hungriger Wunsch nach Zärtlichkeit und Zuwendung, dem er aber nur nachzugeben wagte, wenn Sex ausgeklammert blieb.
    Es amüsierte mich, die komplizierten Regeln zu beobachten, die er aufstellte, um diese verschiedenen Bedürfniszonen voneinander zu trennen. Die Codes der schwarzen Szene – zum Beispiel, dass eine Domina nicht für den Mann zu haben ist, den sie sich unterwirft, dass sie weder mit ihm schläft noch ihn auf andere Weise befriedigt, sondern ihm höchstens gestattet, das an sich selbst zu tun – kamen seinen Wünschen sehr entgegen. Er fühlte sich von einer Anforderung entschuldigt, die ihm ohnehin bange machte. Wenn wir mitsammen spielten, dann klammerte er die Tatsache, dass ich nicht weniger erregt war als er, vollkommen aus seinem Bewusstsein aus. Er wollte mich nicht als ein sinnliches Wesen mit eigenen Wünschen und Bedürfnissen sehen, sondern als einen schmutzigen Spiegel, der die Erinnerungen an seine Qualen zurückwarf, als eine unheimliche Puppe, die Niks Gesten, Niks Worte, Niks Misshandlungen replizierte. Dann kam es vor, dass er danach schrie, mit Schlägen und Fußtritten traktiert zu werden, ja er ging so weit, dass er mich anflehte, ihm mit einer glühenden Zigarette dieselben Brandmale zuzufügen, wie Nik Dubassys Folterknechte das getan hatten. Es waren Bitten, die ich ihm rundheraus abschlug. Ich dachte nicht daran, ihm dasselbe anzutun, was Nik ihm angetan hatte, obwohl er wütend und frustriert über meine Weigerung war. Ich war nur bereit, an seiner Seite zu sein, wenn er die Schrecknisse und Qualen dieser vierzehn Tage noch einmal durchlebte.
    Wenige Augenblicke nach solchen Exzessen der Selbstquälerei suchte er in mir die Frau, die ihn heilte und tröstete: Er hatte es gerne, wenn er kurz vor dem Höhepunkt vor mir hinknien und den Kopf in meinen Schoß wühlen konnte, und während ich ihn umarmt hielt und liebkoste, masturbierte er sich einem Orgasmus entgegen, aus dem er mit zitternden Händen und glasigen Augen zu sich kam.
    Er wäre allerdings nicht Robert Junkarts gewesen, wenn er nicht sorgfältig darauf geachtet hätte, dass die Inszenierung seiner Unterwerfung in seinen eigenen Händen verblieb. Weder Alec noch ich wären auf den Gedanken gekommen, ihn zu etwas zu zwingen, wozu er nicht gezwungen werden wollte. Wir mischten uns nicht einmal mit Vorschlägen ein. Er selbst war es, der sich vollkommen frei und im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte dazu verurteilte, die exzessive Grausamkeit und Erniedrigung seiner Gefangenschaft wieder und wieder zu erleben. Er lief ein ums andere Mal durch dieselbe Spießrutengasse, er tauchte tief in die Erinnerung an vergangene Demütigungen, bis er die Tränen der Scham nicht mehr zurückhalten konnte ... und jeder Kelch voll Essig und Galle, den er sich einschenkte, wandelte sich in süßen, berauschenden Wein.
    Danach wurde er dann oft sehr zärtlich. Er kuschelte sich an mich, streichelte und umarmte mich und konnte nicht genug von meiner Nähe bekommen. Es überraschte ihn, dass mir sein Körper gefiel; er hatte sich nie für attraktiv gehalten, und nach seinen schrecklichen Erlebnissen hatte er, wie die meisten missbrauchten Menschen, Groll und Verachtung für sein erniedrigtes und beschmutztes Fleisch gehegt. Er konnte nie so recht verstehen, dass ich seinem unersättlichen Bedürfnis nach Zärtlichkeit
gerne
nachkam.
    Diesem Bedürfnis nachzugeben, gestattete er sich jedoch nur, wenn er sexuell nicht erregt war. Er vermied es dann auch, mich in intimer Weise zu berühren, und wollte es an sich selbst nicht; er scheute vor allem, was genitale Lust

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