Das Haus der Feuerfrau (German Edition)
erregen hätte können, zurück. In solchen Situationen wollte er kein Mann sein, sondern ein zärtlichkeitsbedürftiges Kind – oder auch eine Frau. Einmal machte er die verräterische Bemerkung: „Frauen haben es gut, Charmion, sie können jederzeit miteinander schmusen, soviel sie wollen, und niemand wird behaupten, es hätte etwas mit Sex zu tun.“
Von Natur aus neugierig wie ein Eichhörnchen und mit einer raschen Auffassungsgabe gesegnet, machte er sich mit Ernst und Eifer daran, sich in seiner neu entdeckten Neigung zurechtzufinden und all die dunklen Tränke und Tinkturen der bizarren Lust zu verkosten, was ihm davon am besten schmeckte. Er gewann immer mehr Freude daran, sich in Situationen zu manövrieren, in denen er hilflos war und gezwungen, mir gegenüber fügsam zu sein. Vor allem Fesseln aller Art faszinierten ihn. Er konnte Handschellen mit einer Wollust anprobieren, wie Frauen ein kostbares Schmuckstück anprobieren. Das schwere Eisen hatte es ihm angetan, weil es einen Zwang auf ihn ausübte, den er mit all seiner Kraft nicht abschütteln konnte. Eine geschlossene Handfessel (vor allem, wenn es eine von meinen guten englischen war, die alle nicht aus dem Spielzeugladen stammten) war
geschlossen
; da hätte nur ein Harry Houdini noch eine Chance gehabt.
Eine seiner besonderen Vorlieben wurde es, Aschenbrödel zu spielen. Immer öfter übernahm er – der sich früher nicht hatte aufraffen können, wenigstens seine benutzten Teller in die Spüle zu stellen – freiwillig die niedrigsten und schmutzigsten Hausarbeiten, wusch das Geschirr ab, fegte die Diele oder trug den Müll hinaus. Während für andere Masochisten die Küchenschürze das Symbol der äußersten Preisgabe ihrer Männlichkeit war, war es für Robert Junkarts ein Eimer heißes Seifenwasser. Ich erinnerte mich oft daran, wie er mir diese Szene erzählt hatte. Damals hatte er rebelliert – und war gebrochen worden. Damals hatte er die bittere Erfahrung gemacht, dass er sich in alles fügen musste, was seine Peiniger ihm zudachten, ganz gleich, wie sehr sie ihn quälten, schändeten und demütigten. Und dieser absolute Tiefpunkt seines Daseins als Mann hatte ihn an sich gebunden, hatte ihn festgenagelt und kehrte nun, wo die schreckliche Wirklichkeit Vergangenheit war, als maßlos erregende Fantasie immer wieder.
Robert hatte sogar eine ganze Weile im Supermarkt gekramt, bis er genau dieselbe Marke Schmierseife fand, die Niks Handlanger damals benutzt hatten. Der süßlich-penetrante chemische Geruch, das Gefühl seiner nassen, heißen, aufgeweichten Hände, die Notwendigkeit, die rutschende Brille mühselig mit dem Oberarm zurechtzuschieben, das Gefühl eines glitschigen Lumpens zwischen den Fingern – all das brachte ihn vollkommen aus dem Gleichgewicht. Jedes Bewusstsein seiner Männlichkeit ging ihm verloren; er konnte sich nirgends mehr zuordnen, wusste buchstäblich nicht mehr, wer und was er war, und empfand sich als ein seltsam heimatloses, undefiniertes Wesen, dessen einziger bewusster Wesenszug sein heftiger Drang nach Unterwerfung war. Er bemerkte einmal halb amüsiert, halb beschämt: „Ich glaube, ich bin der einzige Mensch auf der Welt, den Spülwasser geil macht.“ Er gestand mir, dass es ihn sogar erregte, Geschirr abzuwaschen, vor allem, wenn ich währenddessen am Küchentisch saß und ihn „bewachte“. Einmal wurde er schamrot bis hinter die Ohren, als Terry Hirsch – der von den Hintergründen natürlich keine Ahnung hatte – ihm auf die Schulter klopfte, als er eben fleißig an der Spüle beschäftigt war, und bemerkte: „Sieh einer an, ein alter Hund lernt neue Tricks! Früher wollte er nicht einmal seine eigenen Teller abwaschen, und jetzt wäscht er sogar unsere ab!“
Am glücklichsten machte es meinen Freund, wenn er Gelegenheit fand, auf Händen und Knien an irgendetwas im Haus herumzuputzen, während ich bei ihm saß und ihm das Gefühl gab, dass ich ihn bei der Arbeit beaufsichtigte. Bei solchen Gelegenheiten waren wir einander sehr nahe; dann steckten wir verschwörerisch die Köpfe zusammen, und er erzählte mir, während er arbeitete, lange, intime Geschichten von allem, was ihn bewegte.
Bei dem Chaos, das die Handwerker anrichteten, gab es genug zu putzen, und so hockte ich an einem Vormittag auf der Treppe und hörte Robert zu, der zwei Stufen unter mir auf dem Treppenabsatz kauerte und sich der mühseligen Aufgabe unterzog, mit einem Lappen und einer Bürste die Schnörkel der
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