Das Haus der Feuerfrau (German Edition)
finden, es wäre nicht richtig, sie einfach zu exorzieren – sie hinauszujagen. Wir sollten sie verabschieden. Elena und ich denken, dann würden sie auch ohne Groll gehen.“
Und dann fingen sie beide an, mir von den mexikanischen Festen zum „Tag der Toten“ zu erzählen, wo man die Verblichenen einen Tag lang feierte und ihnen zuletzt Wasser und Licht auf die Reise mitgab, mit der Bitte, die Lebenden während des nächsten Jahres nicht zu behelligen. Ich hatte Dokumentationen im Fernsehen gesehen und erinnerte mich an Blumen und Kerzen, kunstvoll geschnittenes buntes Papier und überreichlich gedeckte Tische, auf denen Brot und Speisen bereit standen, dazu Schnaps und Zigarren für die Erwachsenen, Spielzeug und Süßigkeiten für die Kinder.
„Wir denken“, versetzte Elena mit ihrer dünnen, zarten Stimme, die wie eine Blechflöte klang, „es würde sie freundlich stimmen, wenn wir ihnen ein Fest geben.“
Das war ein ungewöhnlicher Gedanke, aber einer, der mich sofort ansprach. Ich hatte schon wiederholt in meinem Leben die biblische Warnung bestätigt gefunden, dass Versuche, böse Geister jeder Art gewaltsam auszutreiben, meist nur dazu führten, dass sie nach einer Weile zurückkehrten und sieben andere mit sich brachten, die noch ärger waren als sie. Die alten Weisen Tibets hatten das erkannt, als sie den Vers prägten: „Ein seit Jahrhunderten verdunkelter Raum wird augenblicklich erhellt, nicht indem man die Dunkelheit hinausprügelt, sondern indem man das Licht hereinlässt.“ Wenn der Morgen nahe war, verschwand die Dunkelheit von selbst. Böse Dinge, die an Desinteresse gestorben waren, kehrten nicht wieder.
„Ich finde eure Idee wunderbar“, stimmte ich zu. „Habt ihr schon mit den anderen darüber gesprochen?“
Sie schüttelten im Chor die Köpfe, und ich fühlte mich sehr geehrt, dass ich die Erste gewesen war, der sie sich anvertraut hatten. Deshalb wagte ich auch meinerseits einen Vorschlag zu machen: „Ich denke, wir sollten diese Party am 18. August feiern – an meinem 50. Geburtstag.“
„Warum gerade dann?“, fragte Terry neugierig.
Ich versuchte es ihnen zu erklären. Mein eigenes Leben war ebenso von Gespenstern heimgesucht wie dieses Haus. Von Kind auf war das Einzige, was irgendeinen literarischen oder erotischen Reiz auf mich ausübte, das Morbide gewesen, die Bilder und Schilderungen von Fäulnis und Verfall, von unerhörten Verbrechen und schauerlichen Friedhofsgeheimnissen. Ich erzählte den beiden Schwarzen, mit welcher Faszination ich den Bericht über den Serienmörder Karl Denke gelesen hatte, in dessen unsäglich verschmutzter und verwahrloster Wohnung man zahlreiche Töpfe mit gekochtem Menschenfleisch gefunden hatte, ebenso einen Bottich voll Salzlake, in dem sich außer eine Menge menschlichen Fetts auch ein stark behaarter männlicher Brustkorb befand. Ich hatte mich selbst als Tote empfunden, daher war es eine innere Affinität gewesen, die mich zu allem Toten hinlockte, und das Gefühl meiner eigenen hoffnungslosen Unliebenswürdigkeit hatte mich zu allem hingezogen, was abstoßend und grauenhaft war. Das Leben, so hatte ich es empfunden, war nicht für meinesgleichen geschaffen, nicht für ein mageres, hässliches kleines Mädchen mit zu vielen Zähnen und verkniffenen Augen. Es war für die schönen Kinder da, die Süßen, die Sofapüppchen, während ich ein Wechselbalg war ...
Sie saßen beide schweigend da, und je länger ich zu ihnen sprach, desto deutlicher verrieten mir ihre aufmerksamen Augen, dass sie mich verstanden.
Ich erzählte Terry und Elena auch von dem Traum, den ich vor einigen Jahren gehabt hatte. In diesem Traum war ich durch ein Wachsfigurenkabinett – oder eher ein medizinisches Museum – gegangen, als ich mich plötzlich einer Wachsfigur meiner selbst gegenübergesehen hatte. Der Sockel aus poliertem Holz, auf dem jeweils die Beschreibung der Krankheit vermerkt waren, trug die Inschrift „Chronische (hier folgte ein langes griechisch-lateinisches Wort, das mir nichts sagte) des Herzens.“ Und noch während ich entsetzt in mein eigenes, lebloses gelbes Wachsgesicht blickte, brach der Brustkorb der Figur auseinander, und hervor stürzte in einer schauerlichen Geburt ein Strom von ineinander verschlungenen Monstren, alle übel riechend, weich und glitschig und von der grau-gelben Leichenfarbe lange in Formaldehyd gepökelter Präparate.
„Als wir die verschüttete Küche da unten aufgruben“, sagte ich zu ihnen, „da
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