Das Haus der Feuerfrau (German Edition)
überhaupt mit allem Anorganischen, während mir Gärten und alles Pflanzliche suspekt waren. Ich fürchtete mich vor dem Wirrwarr, den unkontrollierten Formen, dem Filz aus Moder und frischen Blüten. Das einzige Grün, das ich tolerierte, waren beschnittene Taxushecken.“
Wieder lachte er und drückte mich freundschaftlich an sich, sodass ich mit der Nase in sein dickes Haar geriet. Ich wischte es mir aus dem Gesicht und fuhr fort: „Ich kriegte die Füße nicht auf den Boden, und mein schlimmster Albtraum war, dass dieser Boden auch noch in Bewegung sein könnte. Kennst du diese teuflische Passage im Verrückten Haus im Lunapark, wo alles unter den Füßen wackelt und wabbelt und rollt? Nur wenn alles um mich herum vollkommen reglos und unveränderlich war, fühlte ich mich einigermaßen in Sicherheit.“
Robert bemerkte nachdenklich: „Ich weiß nicht, ob es dasselbe ist, aber meine Sicherheitsmaßnahmen bestanden immer darin, Fakten unkenntlich zu machen. Ich musste immer alles, auch ganz harmloses Zeug, codieren und verschlüsseln, um nicht durchschaut zu werden. – Aber wie geht es dir heute? Du machst einen so starken und selbstzufriedenen Eindruck.“
„Das tue ich auch nur, um nicht durchschaut zu werden.“
Wir lachten beide.
„Nein, in Wirklichkeit ist es so: Ich habe meine Art zu leben gefunden. Ich wollte immer schon eine Frau sein, die jederzeit hundertprozentig sie selbst ist, die nicht einmal die, einmal jene Rolle spielt, alle Viertelstunden anders aussieht, redet und denkt. Ich möchte, dass die Leute, wenn sie mich sehen, schon von weitem rufen: Hey, da kommt Charmion Sperling, und sie sieht genauso aus wie auf den Fotos!“
An dieser Stelle wurden wir von Coco unterbrochen, die im Hintergarten auftauchte und uns zurief, dass das Essen fertig sei.
Coco hatte in letzter Zeit ebenfalls eine Wandlung durchgemacht. Nachdem sie sich erst nur darum gekümmert hatte, dass Robert Junkarts regelmäßig aß und badete, hatte sie allmählich angefangen, uns alle zu bemuttern. Immer öfter kochte sie uns ein Mittagessen, bevor sie sich an ihre Arbeit in dem Nachtcafé machte, und fand dabei einen Gehilfen in Alec, der ebenfalls gerne kochte. Auf die Art wurden die Mittagessen in der Villa Maunaloa immer besser, bis Alec der jungen Frau schließlich den Vorschlag machte, ob sie nicht lieber zuhause bleiben und als bezahlte Hausmutter für uns alle sorgen wollte, als sich in dem Nachtcafé abzurackern? Ihre Karriere als Fotomodell konnte sie immer noch weiter verfolgen. Coco war einverstanden gewesen. Von nun an konnten wir alle mit einem Mittag- und einem Abendessen rechnen, wie es unsere Mütter nicht besser gekocht hatten.
Diesmal gab es Chili con carne, Weißbrot und grünen Salat. Robert war ein einfach zufriedenzustellender Kunde, er aß alles, was satt machte. Ich stellte ebenfalls keine besonderen Ansprüche, aber Alec war ein Feinschmecker, und Coco gab sich seinetwegen große Mühe. Die beiden verbrachten viel gemeinsame Zeit in der Küche. Manchmal piekste mich deshalb die Eifersucht, aber nachdem Alec mir gegenüber so großzügig war, durfte ich nicht meckern. Sie hätten ja auch nichts dagegen gehabt, wenn ich mitmachte, aber das Kochen lag mir ebenso wenig wie das Gärtnern.
Am späteren Nachmittag hatte ich einen wichtigen gesellschaftlichen Termin bei Terry und Elena: Sie wollten mich formell mit Theophilus bekannt machen. Diese Ehre hatte ich mir erworben, indem ich beiläufig bemerkt hatte, sie hätten ihren Totenkopf wohl nach dem berühmten „Schreienden Schädel“ des Theophilus Brome benannt, der, dem letzten Willen seines Besitzers gehorchend, auf seiner Farm in England aufbewahrt wurde. Es hatte sie mächtig beeindruckt, dass ich alte Dame über solche Dinge Bescheid wusste, und so kam es, dass ich Theophilus meine Aufwartung machen durfte (denn natürlich war es so, dass
ich
dem Schädel vorgestellt wurde und nicht etwa umgekehrt!)
Terry und Elena freuten sich, dass ich das ehrwürdige Objekt mit einer Verneigung begrüßte – die dem Menschen galt, der er oder sie einmal gewesen war, und dessen beinernen Überresten Schlimmeres hätte widerfahren können, als hier geehrt und geliebt auf einem Stapel Bücher zu thronen.
Ich merkte aber bald, dass die beiden Schwarzen noch einen anderen Grund gehabt hatten, mich einzuladen. Sie wollten mir einen Vorschlag unterbreiten.
„Wir denken die ganze Zeit schon über die Geister im Haus nach“, erklärte Terry, „und wir
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