Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus der Feuerfrau (German Edition)

Das Haus der Feuerfrau (German Edition)

Titel: Das Haus der Feuerfrau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Büchner
Vom Netzwerk:
vernünftig, jedenfalls nickten wir beide. Wir hatten auch keinen Zweifel daran, dass es Alec gelingen würde, die Mitte des Labyrinths zu finden, obwohl die Hände im Dunkel sich nach Kräften bemühten, uns abzulenken und zu verwirren. Mit jedem Schritt, den wir uns weiterkämpften, wurden sie zudringlicher, fassten uns zwischen die Beine, fuhren uns durchs Haar, kniffen uns in die Brustwarzen. Immer dichter, so schien es mir, rückten die schwarzen Dornenwände zusammen, immer öfter stießen wir erstickte Schmerzensschreie aus, wenn uns einer der Stacheln in Fleisch fuhr. Waren es anfangs noch Dornen wie die von Rosen gewesen, so wuchsen sie allmählich zu den fingerlangen, stahlharten Dolchen des Josua-Baumes heran. Der Weg wurde zu einem Spießrutenlaufen. Gleichzeitig bedroht und belästigt, wanden wir uns, abwechselnd fluchend und jammernd, durch den stockfinsteren Hohlweg, so gnadenlos gepeinigt wie die böse Königin, die in ein Fass voll Messer und Nägel gesteckt und den Berg hinabgerollt wurde. Ich spürte, wie mir überall am Leib das Blut hinablief und Dutzende Löcher in meinem Fleisch brannten. Aber ich fand keine Möglichkeit, mich zu schützen, und zurück konnte ich auch nicht, denn hinter uns schlossen sich die Dornen zu einer undurchdringlichen Mauer.
    Dann, als hätten wir noch nicht genug gelitten, merkten wir plötzlich, dass der Heckenweg ein Dach hatte ... und zwar eines, das immer niedriger wurde. Erst stieß Alec, der Größte von uns, an dieses Dach und gab einen lauten Schmerzensschrei von sich. Er tastete mit dem Stock nach oben und fluchte gedämpft. Dann fand Robert schmerzhaft heraus, dass er beim Gehen den Kopf einziehen musste, und zuletzt traf es mich. Wenig später krochen wir auf allen Vieren dahin, eingehüllt in einen Kokon stachliger Ranken, lüstern tastender Finger und undurchdringlicher Nacht.
    Ich fragte mich schon, ob der Tunnel, wie es so oft in meinen Albträumen geschah, immer niedriger werden und uns zuletzt zerquetschen und ersticken würde, als Alec einen gedämpften Freudenschrei hören ließ. „Wir sind draußen!“
    Ich konnte es kaum glauben, aber tatsächlich: Nachdem ich die letzten Meter auf dem Bauch robbend hinter mich gebracht hatte, spürte ich mit einem Mal Leere um mich. Ein vorsichtiges Tasten bestätigte es. Soweit ich die Arme ausstrecken konnte, war der dunkle Raum um mich herum frei. Keine Stacheln, keine Hände bedrohten mich. Vorsichtig erhob ich mich erst auf alle Viere, dann auf die Fersen. Noch immer konnte ich rund um mich tasten, ohne auf eine Bedrohung zu stoßen. Erst jetzt wagte ich, aufzustehen. Ich sah die beiden Männer als unbestimmte weißliche Formen in der Dunkelheit – ein Zeichen, dass es auch etwas heller geworden war, denn in dem Dornentunnel hatte ich nicht die Hand vor den Augen gesehen. Sie richteten sich ebenfalls auf, genauso vorsichtig wie ich. Alec stöhnte vor Erleichterung, als er es endlich geschafft hatte, wieder die aufrechte Haltung des Homo sapiens einzunehmen.
    „Wenigstens sind wir diese zudringlichen kleinen Krabbler los“, flüsterte Robert. „Aber was jetzt? Geht es irgendwohin weiter?“ Während er diese Fragen stellte, hatte er sich hin und her bewegt, und nun stieß er einen gedämpften Schrei aus. „Alec! Charmion! Da ist die Pyramide! Kommt her, ihr könnt sie spüren“
    Ich folgte dem weißlichen Schimmer und dem Klang seiner Stimme, aber bald merkte ich auch ohne ihn, dass ich der Pyramide nahe gekommen war. Ich sah sie nicht wirklich mit Augen, ich ertastete viel eher ihren Umriss, der sich heiß anfühlte, und spürte die Kraft, die von ihr ausging. Genauso, wie es Robert damals bei seinem nächtlichen Besuch im Keller ergangen war, fühlte ich ein Prickeln in den Händen, das beständig zunahm. Das Gefühl von Wärme nahm ebenfalls zu. Ich bildete mir ein, einen vage glühenden Umriss im Dunkel zu sehen, obwohl ich das Metall berühren konnte, ohne mich zu verbrennen. Jetzt war auch Alec herbeigekommen, und als wir alle drei die Hände auf die Pyramide legten, begann sie sichtbar zu leuchten.
    Bald war der Glanz so hell, dass wir einander erkennen konnten, und wenig später erkannten wir auch unsere Umgebung, die zutage trat wie die Landschaft auf einem Polaroid-Foto. Es war nicht der leere Keller, in dem wir standen, sondern eine merkwürdige, deprimierende Landschaft, die mich an H.G. Wells „Zeitmaschine“ erinnerte. Eine große bronzene Sonne – eine sterbende Sonne, ein Roter Riese

Weitere Kostenlose Bücher