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Das Haus der Feuerfrau (German Edition)

Das Haus der Feuerfrau (German Edition)

Titel: Das Haus der Feuerfrau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Büchner
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mich aus dem Stuhl zu erheben, fand ich mich selber in die Höhe geschnellt, und bei Alec war es nicht anders. Robert und ich hatten nur komisch ausgesehen, aber der Anblick eines würdevollen, silberhaarigen Rechtsanwalts, der mit der Leichtigkeit eines Wasserballs in die Höhe stieg, wieder zu Boden sank, dort aufprallte und von Neuem feierlich in die Höhe schwebte, war unsäglich. Ich rettete meinen Verstand, indem ich mich an den Gedanken klammerte, dass wir alle denselben Traum träumten, anders hätte ich es nicht ausgehalten. Anscheinend waren die beiden Männer zu dem selben Schluss gekommen, denn als hätten wir uns verabredet, ließen wir uns alle drei in unseren seltsamen Zustand hineinfallen. Und ich muss zugeben, es war ein höchst angenehmes Gefühl, ein solcher lebender Ball zu sein. Ich hatte dergleichen schon früher geträumt – Träume, in denen ich in langen Sätzen dahinflog, aufprallte, wieder stieg und schmerzlos, furchtlos auf die harte Erde herabfiel. Wie ein Bällchen in einem Flipper flog ich in einer sanften ballistischen Kurve an eine Wand, wurde weggeschleudert, bumste an eine andere Wand, fiel zu Boden, stieg in unaufhaltsamem Schwung wieder hoch.
    Mit der Zeit jedoch (und keiner von hätte sagen können, ob es Minuten oder Stunden gewesen waren) verlangsamte sich meine Bewegung, ich wurde schwerer und schwerer, wobei mich das possierliche Gefühl überkam, dass diese Schwere sich als erstes in meinem Hinterteil bemerkbar machte. Es erging mir wie Francois Villon: „Nun spür ich erst, wie schwer mein Arsch doch wiegt.“ Langsam zog mich mein bleierner Hintern zur Boden, und die Schwerkraft ergriff wieder Besitz von mir. Es war jedoch keine unbewegliche Schwere, im Gegenteil, in meinem Becken und meinen Gesäß schienen Hunderte bronzene oder kupferne Kugeln gegeneinander und umeinander zu rollen. Selbst als ich schon wieder fest auf dem Boden stand, fühlte ich mich immer noch als rotierender Ball.
    Den beiden Männern schien es nicht viel anders zu gehen, denn beide standen breitbeinig da, wie auf einer Eisfläche, und hielten sich mit ausgestreckten Armen im Gleichgewicht, aber irgendwie schafften wir es alle drei, trotz unserer merkwürdigen körperlichen Befindlichkeit den Flur entlang zu torkeln und über die schlichte Holztreppe, die jetzt den ehemaligen Kellerabgang ersetzte, in die dunkle Höhle darunter hinabzusteigen. Es war, als tauchten wir in den Hades hinunter, so endlos war der Abstieg und so bedrohlich die schwarze Wölbung, die uns darunter entgegengähnte. Und wie die Toten ließen wir, ohne dass wir es gleich bemerkt hätten, unsere Kleider zurück – wurden von unsichtbaren Händen entblößt und stiegen in der bescheidenen Nacktheit alternder Menschen weiter die Treppe hinunter.
    Soweit ich diese Treppe aus der realen Welt in Erinnerung hatte, stand sie, wie eine schräge Leiter, frei im Raum. Aber als wir nun dort hinunterkletterten, wurde der Raum um uns eng, und ich fragte mich mit einem jählings aufwallenden Gefühl der Angst, ob das Haus in unserem Traum unverändert geblieben war, ob wir denselben Kellerabgang hinunterstiegen, den auch Magda Gutzloff und Ricky Kossack benützt hatten. Fast sofort jedoch wurde mir klar, dass das nicht der Fall sein konnte, denn die alte Kellertreppe war gewunden gewesen, während wir den Fuß auf geradlinig nach unten führende Stufen setzten.
    Einmal streckte ich probeweise die Hand nach der Seite aus, fest überzeugt, dass meine Finger an Mauerwerk stoßen würden, so deutlich war der Eindruck einer erstickenden Enge. Aber was ich berührte, war eine Dornenhecke!
    Ich riss mit einem erstickten Aufschrei die Hand zurück. Meine Fingerspitzen schmerzten so sehr, dass ich sie wie ein Kind in den Mund steckte und daran saugte. Aber gleich darauf streckte ich sie – wenn auch viel vorsichtiger diesmal – von Neuem in die trübe Dunkelheit aus. Ich wollte meinen eigenen Sinnen nicht trauen, ganz gleich, wie real der Schmerz war, der in meinen verwundeten Fingerkuppen brannte. Eine Dornenhecke! Wo waren wir hingeraten? Welche Welt hatte uns verschlungen? Ungläubig griff ich wieder hin ... und spürte wiederum Dornen. Diesmal waren es Dornen, die sich bewegten.
    Jetzt hatte es auch Alec bemerkt, dessen breite Schultern an die Hecke angestreift waren, und gleich darauf lief Robert voll in die Hecke, denn an dieser Stelle fand der Weg ein unerwartetes Ende. Ich hörte seinen Aufschrei, in dem Schmerz und Verblüffung sich

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