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Das Haus der Feuerfrau (German Edition)

Das Haus der Feuerfrau (German Edition)

Titel: Das Haus der Feuerfrau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Büchner
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Erscheinung geschwebt war, dann machte er plötzlich eine wilde Geste, als werfe er etwas fort, schüttelte heftig den Kopf und setzte sich wieder. „Worauf wartet ihr?“, fuhr er die jungen Leute an, die alle mit ihrem Essbesteck in der Hand dasaßen und nicht wussten, was sie tun sollten. „Esst, bevor es kalt wird! Trinkt! Was man nicht ändern kann, muss man ertragen.“ Damit stieß er die Gabel in seinen eigenen Teller, als wollte er sein Steak totstechen, und begann mit grimmiger Entschlossenheit wieder zu essen. Die erschrockenen Schwarzen taten es ihm gleich.
Erlösung
    Ich hätte nicht sagen können, wann ich zum ersten Mal bemerkte, dass die Gerüche im Raum sich veränderten. Ganz allmählich drangen Gerüche in mein Bewusstsein, die nicht unangenehm, aber fehl am Platz waren – das Aroma von überreifen Früchten, süßem Rum und sommerheiß blühenden Rosen, aus deren Überfülle da und dort ein welkendes Blatt zu Boden fiel ... Ich roch sie nicht nur, ich schmeckte sie auch und sah sie vor mir. Dann mischten sich weniger anziehende Gerüche in die gewittrige Luft, in der die Kerzen blakten und flackerten: der dumpfe, süßliche Geruch nach Blut und den kleinen, von der Sonne gedörrten Kadavern auf der Straße überfahrener Tiere. Ich blickte von meinem Teller auf und sah, dass die Dunkelheit draußen vollkommen waren. Die Fenster glänzten schwarz und undurchdringlich wie Grabsteine. Es war, als sei die Welt außerhalb des Hauses untergegangen. Ich war überzeugt, dass es unmöglich gewesen wäre, diese Türe, diese Fenster zu öffnen. Es gab keinen Ausweg mehr aus dem Haus. Wir waren seine Gefangenen.
    Eine Welle eisigen Entsetzens überschwemmte mich. War es zu spät? Hatten wir die letzte, allerletzte Chance verpasst und waren zu Schemen unter Schemen geworden? Sekundenlang glaubte ich zu ersticken. Jene fürchterliche Geschichte vom „eisernen Leichentuch“ fiel mir ein, dem Kerker der Spanischen Inquisition, dessen Wände binnen sieben Tagen immer näher zusammenrückten, bis sie den darin Gefangenen erdrückt hatten. Ich sah zukünftige Mieter in der Diele stehenbleiben und angestrengt starren, weil sie sich einbildeten, das Phantom einer kleinen dunkelhaarigen Frau zu sehen ... eines rothaarigen Mannes und eines zweiten Mannes, der sich schwer auf seinen Krückstock stützte ... Ich sah mich um und entdeckte, dass unsere drei jungen Mitbewohner und die schwarz gekleideten Gothics reglos an ihren Plätzen saßen, jeder und jede eine Olympia, deren Uhrwerk verrostet war. Sie hielten Gabeln und Messer, Weingläser und Kaffeetassen in der Hand, sie waren einander im Gespräch zugewandt oder sahen sich im Raum um, aber sie waren alle zu Wachs und Porzellan erstarrt und würden sich nie wieder regen. Die Dochte der Kerzen blakten nicht mehr. Selbst die blauen Geisterflämmchen verharrten reglos an ihrem Ort. Eine tödliche Stille hatte sich über das Haus gebreitet – die Stille der Ewigkeit.
    Ich erschrak, als ich eine Berührung spürte. Robert griff nach meinem Arm und klammerte die Finger darum. „Es zieht uns“, flüsterte er. „Nach unten.“
    Erst verstand ich nicht, was er meinte. Dann wurde mir – wie einem in Träumen die abstrusesten Dinge ganz selbstverständlich erscheinen – bewusst, dass es doch noch einen Ausweg gab. Wir mussten nur in den Keller hinuntersteigen. Dort, wo die geheimnisvolle Pyramide auf ihrem Podest aus schwarzem Obsidian stand, würden wir den Ausgang aus dem Haus finden, das binnen weniger Minuten zu einem Mausoleum geworden war.
    Ich wollte aufspringen und die rettende Treppe hinunterstürmen, so sehr beengte und erschreckte mich das Totenhaus, aber ich fand, dass meine Bewegungen so langsam waren wie die einer Schwimmerin im Wasser. Es ging nicht nur mir so. Robert wollte ebenfalls aufstehen, schnitt eine verdutzte Grimasse und stemmte sich dann mit aller Kraft am Tischrand hoch, als wäre er binnen Minuten zum gebrechlichen Greis geworden. Mit einem Ruck, in den er seine ganze Körperkraft legte, kam er auf die Füße. Und nicht nur das! Er hob sich, wie ein Ball, der auf die Erde geschlagen wird und wieder hoch schnellt, volle zwei Handbreit über den Boden und sank erst dann langsam nieder!
    Alec und ich saßen da und starrten diese unglaubliche Levitation an, wie Kinder einen Zaubertrick bestaunen. Wir mussten aber bald feststellen, dass wir ebenso behext waren. Kaum hatte ich es – mit einer Anstrengung, die mir den Atem benahm – geschafft,

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