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Das Haus der Feuerfrau (German Edition)

Das Haus der Feuerfrau (German Edition)

Titel: Das Haus der Feuerfrau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Büchner
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willen, was hat er denn getan? Er wird doch niemanden umgebracht haben, oder?“
    „Nicht direkt. Aber es kann schon sein, dass sich einige Leute seinetwegen das Leben genommen haben, auch wenn wir das kaum je erfahren werden.“ Er schenkte mein Glas Rotwein nach. „Wenn du willst, erzähle ich dir die Geschichte, aber sie ist nicht gerade erbaulich.“
    „Ich will sie trotzdem hören.“
    Alec nickte und füllte sein eigenes Glas – ein Anzeichen, dass es eine längere Geschichte zu werden versprach. „Ich will dich nicht mit technischen Einzelheiten langweilen“, begann er. „Es genügt zu sagen, dass Robert Junkarts, ein gelernter Kaufmann, der Erfinder einer besonders abgefeimten Methode war, den Leuten das Geld aus der Tasche zu locken. Und zwar vorwiegend denjenigen, die ohnehin kaum etwas hatten. Rentner, Alleinerzieher, Arbeitslose, Fürsorgeempfänger, die wider besseren Wissens darauf hofften, ihre klägliche finanzielle Situation mit einem Schlag ändern zu können. Dabei nützte er dasselbe Schlupfloch wie so viele andere Bauernfänger, nämlich, dass es fast unmöglich ist, jemandem auf religiösem, esoterischem oder psychologischem Gebiet einen Betrug nachzuweisen. Er verkaufte seinen Opfern sündhaft teure Psychokurse, die San-Sebastian-Seminare – so genannt nach dem Landhaus, wo sie abgehalten wurden –, die sie innerhalb eines Wochenendes vom Versager zum ‚Boss im eigenen Leben‘ ummodeln sollten. Wenn sie dann trotzdem Versager blieben, was ging das Robert Junkarts an? Wenn er zur Rechenschaft gezogen wurde – was nicht oft vorkam, weil seine Opfer sich keinen Anwalt mehr leisten konnten, nachdem er sie gerupft hatte – verantwortete er sich stets damit, dass seine Seminare tadellos funktionierten, dass es aber immer Leute gebe, die einfach zu faul seien, daraus Nutzen zu ziehen. Schließlich dürfe ja auch niemand die Schule verklagen, wenn aus ihm später im Leben nichts würde, oder? Er hatte jederzeit ein paar Karrieretypen zur Hand, allen voran seinen eigenen Schwiegersohn, die bereitwillig beschworen, dass sein System sie zu Chefs gemacht hatte. Die armen Hunde, die auf ihn hereinfielen, hatten zum Schaden noch den Spott. Oft hatten sie Kredite aufgenommen oder privat geborgt, um die teuren Seminare bezahlen zu können, und standen dann vor dem Nichts. Junkarts muss hunderte Existenzen ruiniert haben.“
    Ich saß stumm da, den Kopf auf die Hände gestützt. Ein Gefühl der Übelkeit machte sich in mir breit. Ein Verbrechen aus Leidenschaft hätte ich hinnehmen können, aber ein Aasgeier, der sich auf die ohnehin Schwachen und Elenden stürzte ...
    Alec erzählte weiter. „Das Geschäft lief wie geschmiert. Auf dem Höhepunkt seiner Macht war er ein schwerreicher Mann ... und wahrscheinlich einer der meistgehassten Männer hier in der Stadt. Nicht, dass ihn das gestört hätte; er pflegte sich sogar über die Wut und Verzweiflung seiner Opfer lustig zu machen, indem er Friedrich Nietzsche zitierte: ‚Wer strauchelt, den soll man noch stoßen.‘ Aber wie heißt es in ‚Buhlemanns Haus‘?
Die Flüche der Armen sind gefährlich, wenn die Hartherzigkeit der Reichen sie verursacht
. Robert Junkarts hatte keine Ahnung, dass eine fürchterliche Nemesis auf ihn wartete.“
    Er schwieg eine Weile, tief in Gedanken, und da ich seine Art kannte, wartete ich geduldig, bis er aus Eigenem weiterredete.
    „Vor vier Jahren verschwand er plötzlich und blieb gut vierzehn Tage lang verschollen. Gefunden wurde er dann eines Nachts am Stadtrand, in einer wüsten Gegend nahe der Mülldeponien. Er war mehr tot als lebendig, als er aufgegriffen wurde, und es war offenkundig, dass er über längere Zeit hinweg gnadenlos misshandelt worden war – vermutlich die ganzen zwei Wochen lang, in denen man nichts von ihm gehört hatte. Der Polizeiarzt erklärte, die verschiedenen Verletzungen, vor allem Verbrennungen mit einem Lötkolben, seien ihm so planmäßig zugefügt worden, dass man von einer ausgeklügelten Folter sprechen könnte.“
    Ich sah plötzlich, wie von einem Blitzlicht erhellt, den nackten Unterarm unter dem blauen Hemdsärmel vor mir – die zahlreichen, unregelmäßigen weißen Narben darauf.
    Alec fuhr fort: „Wer immer ihn diese zwei Wochen in seiner Gewalt gehabt hatte, hat ihm eine Hölle auf Erden bereitet. Er war nackt bis auf einen Lumpen von einer Unterhose, grau und verkrustet vor Dreck und von oben bis unten voll Schrammen und Blutergüsse. Sein Haar war büschelweise bis

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