Das Haus der Feuerfrau (German Edition)
sah das weniger streng. „Hör einmal, der Mann will die Villa vermieten oder verkaufen, da wird er uns nichts erzählen, was uns abschrecken könnte. Und was soll‘s! Hast du Angst deswegen?“
„Ich weiß nicht recht. Angenehm ist es mir nicht.“
„Vielleicht inspiriert es dich zu einer besonders erfolgreichen Horror-Story?“, neckte er mich. Dann wurde er ernst. „Charmion, du weißt, ich bin ganz deiner Meinung, dass es viel Rätselhaftes und Unerklärliches gibt. Aber erstens ist die Sache Schnee von gestern, und zweitens sollte man von Leichen in einem Bestattungs-Institut annehmen, dass sie in Frieden ruhen. Es wäre etwas anderes, wenn dort unten ein Mord verübt worden wäre – dann würde ich mich auch nicht hundertprozentig wohlfühlen. Aber so, wie die Dinge liegen ...“
„Hör zu.“ Ich fasste ihn am Arm und zog ihn zum Wagen. „Ich habe da eben etwas gesehen. Im Haus drinnen. Da waren Gestalten. Sie sahen aus wie Sonnenstreifen –“
„Wahrscheinlich waren sie das auch.“
„Alec, halt mich nicht für blöde. Ich weiß, was Sonnenstreifen sind, und auch, was
keine
sind. Ich habe das kleine Mädchen gesehen, das meine Hand fasste, als wir zum ersten Mal hier ankamen. Dieses Haus ist ein Spukhaus. Und außerdem ein Spukhaus, das irgendetwas von uns will.“
„Aber ja!“ Er lachte laut auf. „Ich kann mir schon denken, was es will! Einen neuen Anstrich und ein paar zusätzliche Fenster.“ Er klopfte mich auf die Schulter, als wäre ich eine nervenschwache Zehnjährige. „Na komm schon, Charmion. Ich weiß schon, dass du für deinen Beruf lebst, aber deswegen brauchst du nicht gleich überall Geister zu sehen. Du hast gehört, was der Sachverständige gesagt hat: Das Haus ist tipp-topp in Ordnung, es braucht wirklich nichts als ein bisschen Farbe und Tünche. Es ist ein Schnäppchen, und ich schnappe es mir. Auch wenn“, fügte er mit einem herablassenden Lächeln hinzu, „es darin von Geistern wimmelt.“
Ich gab keine Antwort. Mir war klar geworden, dass ihn nichts mehr davon abhalten konnte, das Haus zu kaufen. Irgendwie hatte es ihn behext, genauso, wie es mich zu behexen versuchte.
„Heißt das“, fragte er schließlich nach einer langen Pause, „du willst jetzt doch nicht mitkommen, wenn ich es nehme?“ Seine Stimme klang traurig und niedergeschlagen.
„Doch“, beschwichtigte ich ihn. „Natürlich zu den bereits bekannten Bedingungen. Ich behalte weiterhin meine Wohnung, und ich kehre in diese Wohnung zurück, wenn ich viel Arbeit habe oder wenn mir etwas einfällt, mit dem ich mir den Nobelpreis für Literatur zu verdienen hoffe.“
„Kein Problem.“
„Aber ansonsten bin ich bei dir.“ Ich rang mir ein Lächeln ab. „Ich muss dich doch beschützen, Mylord.“
Wie ich erwartet hatte, protestierte er lachend. Aber ich wurde das Gefühl nicht los, dass aus dem Scherz früher als erwartet ernst werden mochte.
Das Totenhaus
Alec lud mich zu einem späten Mittagessen ein, aber ich lehnte ab. Ich hatte Wichtigeres zu tun. Wenn er das Haus wirklich kaufte – und dazu war er nun ernsthaft entschlossen – dann musste ich so schnell wie möglich mehr darüber in Erfahrung bringen. Ich bat ihn also, mich in der Nähe des Rathauses abzusetzen, und suchte dort das Stadtarchiv auf.
Dort fragte ich nach der Larabaya-Straße 12 A und bekam ohne Schwierigkeiten eine Mappe ausgehändigt, die einige Fotos und Kupferstiche und ein kurz gefasstes
curriculum vitae
enthielt.
Die erste Überraschung, die mich erwartete, war ein skurriler Zufall. Das Haus war 1850 erbaut worden, hundert Jahre vor meiner Geburt – und zwar
genau
hundert Jahre, denn der Grundstein war am 18. August gelegt worden, und der war mein Geburtstag! Natürlich war an diesem Tag (außer meiner historisch wenig bedeutsamen Geburt) noch allerlei anderes in der Stadt geschehen, so dass es nicht schwer gewesen wäre, drei Dutzend weiterer Ereignisse auf dieses Datum zu legen. Aber kurios war es doch.
Sonst war von der Entstehungsgeschichte des Hauses nichts weiter Ungewöhnliches zu berichten. Es war im damaligen Grüngürtel der Stadt für eine Familie mit dem unschönen Namen Schwertsak erbaut worden, die ihr Vermögen mit der Lieferung von Eisenbahnzubehör gemacht hatte. Die Schwertsaks schienen eine vom Pech verfolgte Familie gewesen zu sein, denn ihr Familiensitz war „wegen der vielen Unglücksfälle“ fast von Anfang an unter dem deprimierenden Beinamen „das Totenhaus“ bekannt gewesen.
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