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Das Haus der Feuerfrau (German Edition)

Das Haus der Feuerfrau (German Edition)

Titel: Das Haus der Feuerfrau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Büchner
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glitten in der Gegenrichtung die Stufen hinauf. Oben auf dem Treppenabsatz stand ein spindeldürres kleines Mädchen, fünf oder sechs Jahre alt, mit riesigen blauen Augen und flachsblondem Haar, so flaumig wie Löwenzahnsamen. Zum Unterschied von den Anderen trug sie keine Kleider. Ich konnte die Rippchen unter dem Fleisch des Brustkorbs und die flache Schale der Hüftknochen sehen. Ihr Gesichtsausdruck wirkte grenzenlos melancholisch. Alle diese Erscheinungen waren filigran wie die tanzenden Staubmuster in einem Sonnenstrahl, aber ich sah sie ganz deutlich!
    „Charmion!“, rief Alec aus dem Garten.
    Ich wandte eine Sekunde den Kopf ab, und als ich wieder hinsah, waren keine schattenhaften Gestalten mehr da.
    Vor dem Sachverständigen wollte ich nichts davon sagen, was ich gesehen hatte, also rief ich nur: „Komme schon!“ und lief hinaus. Alec war bereits beim Gartentor draußen, wo er den Mann verabschiedete. Sobald dessen Wagen verschwunden war, wandte er sich mir zu.
    Ich wollte eben eine Bemerkung über mein Erlebnis machen, als ich unterbrochen wurde. Über die Hügelkuppe kam ein klappriges Auto gefahren, das plötzlich bremste und genau vor uns anhielt. Die Türe wurde schwungvoll aufgerissen, und ich sah, dass zwei junge Leute darin saßen, ein Mann und ein Mädchen. Beide waren sehr hübsch, aber bleich wie Schimmelkäse und von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet. Zum Unterschied von allen Gothics jedoch, die ich bislang kennengelernt hatte und die alle gepflegt, ja richtiggehend gestylt gewesen waren, schienen diese beiden eine Kreuzung aus Punks und Gothics zu sein.
    Die vielen Schichten schwarzer Kleidung, in die sie gehüllt waren, wiesen Dutzende Löcher und Schnitte auf, die alle mit Absicht angebracht worden waren. Der junge Mann sah mit seinem melancholischen Gesicht, seinen umschatteten Augen und blauschwarzen Haaren aus wie
Edward Scissorhands
. Er trug eine Unzahl metallener Armreifen, das Mädchen – das dünn wie ein Vögelchen war und überaus kindlich wirkte – Dutzende aus bunten Fäden geflochtener Freundschaftsbänder an den Handgelenken. Beide hatten bizarre Frisuren: Ihr schwarz gefärbtes Haar war sehr lang, aber einzelne Stellen des Schädels waren kurz geschoren, beinahe ausrasiert, sodass die verbleibenden Locken in schlaffen Strähnen herabhingen.
    Der Junge, der die Wagentüre geöffnet hatte, blickte uns aus umflorten Augen an und platzte heraus: „Sie sind schon wieder da, ey? Sie wollen das Haus also tatsächlich nehmen?“
    Alec zog bei dieser formlosen Anrede die Augenbrauen hoch, erwiderte aber in gemütlichem Ton: „Einen schönen guten Tag. Ich bin Alec Marhold, und darf ich fragen, wer Sie sind?“
    „Terry Hirsch“, erwiderte der Junge unfreundlich. „Und das ist meine Freundin, Elena Bohrson. Aber ich habe Sie gefragt, ob Sie das Haus nun nehmen.“
    „Muss ich mich denn dazu bei Ihnen anmelden?“
    „Nein, natürlich nicht. Ich dachte nur, weil Sie schon zweimal zur Besichtigung da waren. Sonst kamen die Leute immer nur einmal. Und meistens gingen sie gerade nur zur Türe rein, sahen sich um und stotterten: Nein, ist wohl doch nicht das Richtige.“ Er grinste, als sei das sein persönlicher Verdienst. „Wir sagen immer, die riechen die Leichen.“
    Wir starrten ihn beide an.
    Wieder zog dieses triumphierende Lächeln über sein bleiches Gesicht. „Das hat Ihnen der Agent also nicht gesagt, ey? Das dachte ich mir! Das Haus war fünf Jahre lang ein Bestattungs-Institut. 1972 – 1977. Dann ging der Besitzer in Konkurs und die Bank holte sich die Villa. Unten im Souterrain war der Kühlraum für die Leichen. Deshalb ist es gekachelt.“
    „Und deshalb benutzt niemand das Bad.“
    Terry schien etwas überrascht, dass wir das entdeckt hatten. „Ja“, gab er zu. „Es geht auch niemand gerne runter, um die Wäsche zu waschen. Naja, jetzt wissen Sie Bescheid. Aber wir haben uns daran gewöhnt, Sie werden sich auch noch daran gewöhnen.“ Er sah uns von oben bis unten an. „Witzig!“, bemerkte er. „Ich hätte nicht gedacht, dass die nächsten Mieter so alte Leute sein würden.“ Damit klappte er die Türe seines Autowracks zu, gab Gas und ratterte davon.
    Alec blickte ihm nach. „Der denkt auch, wir hätten schon gelebt, als noch die Saurier auf Erden rumstampften.“
    Ich war in Gedanken jedoch bei der Heimtücke des Agenten. „Das sieht diesem Stinker ähnlich, dass er uns nichts von dem Bestattungs-Institut erzählt hat! Er hätte uns –“
    Alec

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