Das Haus der Feuerfrau (German Edition)
genommen, und nun ist es uns recht sehr teuer geworden mit seiner Unruhe und seinem gottlosen Spuk!“
Dann stieß ich auf eine überraschende Stelle. Darin beschrieb die Adelswitwe den unheimlichen Eindruck, den der weitläufige Keller auf sie alle machte, „sodass weder die Mädchen noch der Hausbursche zu bewegen sind, dass sie nach Einbruch der Nacht hinuntergehen, und bei Tage tun sie‘s nur widerwillig; wir schelten sie jedoch nicht, da uns auch ein Grauen ankommt, wenn wir nur an der Treppe stehen, und selbst Jan nicht wagt, sich allein dort hinunter zu begeben. Steht man dort, so ist´s, als gähnte einen ein offenes Grab an – der Atem will stocken, das Haar auf dem Kopfe richtet sich auf und das Herz zuckt ängstlich, als wollte es bald seinen letzten Schlag tun ... geht man aber trotz allen Bangens hinunter, so ist nichts Schlimmeres zu sehen als ein geräumiger Keller mit etlichen Mauerbögen, die das Haus stützen, und darin nichts als Staub und Mäusedreck.“ Das war rund sechzig Jahre,
bevor
Wolfram Hartmann den Keller als Leichenhalle genutzt hatte!
Tante Marie war offenbar keine leichtgläubige Frau gewesen, denn sie verdächtigte als den Urheber des Spuks zuerst einmal ihren Neffen, der trotz seiner Behinderung „geschickt wie ein Äffchen und von närrischem Wesen“ war. Jan, nach seiner Lieblingsfarbe der rote Jan genannt, musste eine koboldhafte Natur gewesen sein, denn die Tante schilderte, wie gerne er andere Leute neckte; wie er dem Personal Streiche spielte und die Mädchen der Umgebung „mit zuweilen erschrecklichen Scherzen“ zum Besten hielt. Vielleicht machte er die vielen Entsagungen, zu denen ihn sein lahmes Bein zwang, durch sein fantastisches Schwadronieren und seine teils komischen, teils boshaften Scherze wett. Jedenfalls war er der Hauptverdächtige, aber obwohl die beiden Frauen und ihr Personal ihm genauestens auf die Finger sahen, konnten sie ihn nie dabei ertappen, wie er Spukerscheinungen durch Tricks und Täuschungen hervorrief.
Zu meinem Leidwesen machte Tante Marie so gut wie gar keine erhellenden Äußerungen über die Erbauer und langjährigen Bewohner des Hauses, obwohl sie mit den Schwertsaks weitläufig verwandt gewesen war. Sie schilderte zwar ihren eigenen Spuk mit penibler Sorgfalt, nannte aber als dessen Ursache – als sie sich endlich überzeugt hatte, dass es nicht ihr Neffe war – nach klassischer Art den Teufel.
Ich nahm an, dass der Gottseibeiuns Besseres zu tun hatte, als höchstpersönlich in der Larabaya-Straße herum zu poltern, und vermutete einen der Schwertsaks als die Quelle des Spuks. War es der verhasste Wucherer, der von Gott und den Menschen verlassen in seinem wüst verwahrlosten Haus gestorben war? Oder ein noch weiter zurückliegendes Ereignis? Was war mit dem weiblichen Kind geschehen, das immer ohne Kleider erschien? Und was war aus den drei vermissten Dienstboten geworden? Waren sie beseitigt worden, und ihre Mörder hatten keine Ruhe gefunden?
Ich schob das Büchlein beiseite, stand auf und machte mich auf die Suche nach dem Kustos, um das kostbare Werk zurückzugeben und mich zu bedanken.
Der Alte nickte mir freundlich zu. „Je nun, ich hoffe, Sie haben es interessant gefunden, und danke für den Besuch.“
Der rätselhafte Robert Junkarts
Ich konnte es kaum erwarten, Alec brühwarm mitzuteilen, was ich herausgefunden hatte, und rief ihn an, sobald ich wieder zu Hause war.
Er hörte mir, wie es seine Art war, aufmerksam zu, zeigte sich aber nicht weiter beeindruckt. „Charmion, in jedem Haus, das seit 150 Jahren steht, sind schon Menschen gestorben, auch durch Mord oder durch eigene Hand. Dass dieser Gehilfe sich das Leben genommen hat, ist sicher bedauerlich, aber es ist zwanzig Jahre her.“
„Und das, was Paul Mannlicher erlebt hat? Was machst du daraus?“
„Ich wette mit dir, der Junge war schon halb tot vor Angst, als er in den Keller hinunterstieg. Natürlich hat er dann alles Mögliche gehört und gesehen.“
„Diese Leute, die 1910 dort einzogen, haben auch nur ‚alles Mögliche gehört und gesehen‘?“
Er wurde ungeduldig. „Hör zu, Charmion, ich habe zu einem geradezu lächerlich geringen Preis mein Traumhaus gefunden, und ich denke nicht daran, es sausen zu lassen, weil dumme Gerüchte darüber kursieren. Horror-Romane sind eine Sache und die Realität eine andere.“
„Oh! Plötzlich Materialist geworden?“
„Nein, nur derselbe Skeptiker wie schon immer. Oder sind deine
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