Das Haus der glücklichen Alten
Stockwerk darüber drei Personen gestorben. Meinen Sie nicht, dass ich guten Grund dazu hätte, Ihnen zu misstrauen?»
In diesem Augenblick erschien der Angestellte Américo Setembro an der Tür. Er hatte den Rest des Gesprächs mitgehört und war fassungslos. In seiner Erregung mischte er sich ein.
«Dona Leopoldina misstrauen? Herr Polizist, wollen Sie damit etwa sagen, Dona Leopoldina könnte schuld sein am Tod ihrer Mitbewohner? Wollen Sie sagen, dass…»
«Davon habe ich nichts gesagt. Was ich will ist, in Ruhe diese Spur untersuchen, und es ist einfach nicht möglich, in diesem Zimmer Ruhe herzustellen. Würden Sie beide bitte den Raum verlassen? Das hier ist Polizeiarbeit.»
«Ich bin nur gekommen, um den Inspektor hochzubringen. Ja, noch jemand, Senhor Jaime Ramos. Er darf eintreten. Bitte treten Sie ein. Das ist Inspektor Jaime Ramos. Ich weiß nicht, ob Sie sich kennen.»
«Wir arbeiten zusammen.»
Als Jaime Ramos in das kleine Zimmer eintritt, wird sein Blick wie magnetisch vom Poster mit dem lächelnden Peruaner im luxuriösen Rahmen angezogen. Es war auf schreckliche Weise die ewig junge Version des Posters, das bei ihm im Büro hing und das zusehends verfiel. Es war der zum Himmel schreiende Beweis dafür, dass sie alle einmal jung, schlank und beweglich gewesen waren, dass sie vor allem auf eine bessere Zukunft gehofft und vielleicht alles vergeigt hatten.
«Der Junge hat mal bei uns gehangen, damit er uns anlächelt. Weißt du noch? Wann habe ich zum letzten Mal wirklich sein Lächeln gesehen?», fragte Jaime Ramos.
«Bitte, Chef, schicken Sie die Frau raus, sie ist nicht gerade eine Hilfe.»
«Fort von hier, Américo. Diese Benfica-Fans gehen mir auf die Nerven», sagte Dona Leopoldina und stieß den überraschten Angestellten hinaus.
«Mann, sagen Sie bloß nicht, Sie haben diesen Leuten gesagt, wir wären Benfica-Fans! Mit solchen Gerüchten muss man vorsichtig sein», empörte sich der Inspektor.
«Ach, überhaupt nicht. Die Alte ist gaga. Sie läuft nicht mehr rund. Ich bin hier schon eine ganze Weile, und sie hört nicht auf zu reden, erzählt immer nur Schwachsinn. Sie ist eine Fanatikerin, eine Fanatikerin der alten Sorte.»
Die Männer blieben im Raum, knieten auf dem Boden und suchten im Blutfleck angestrengt nach einer Form, die ihnen weiterhelfen würde. Sie warfen bohrende Blicke auf den Fleck und redeten viel Blödsinn. Sie erwarteten von dem Blutfleck eine Offenbarung, wie wenn man in der Form einer Wolke ein Kaninchen erkennt, ein Haus, ein menschliches Gesicht oder die Umrisse von Portugal. Plötzlich richtete sich Inspektor Jaime Ramos auf und erklärte abschließend:
«Das hier ist nichts. Und da oben ist alles verbrannt, verflucht, wir haben drei Todesfälle aufzuklären, und das hier ist bloß ein Kratzer, den irgendwer abgekriegt hat. Gehen wir, wir vergeuden hier nur unsere Zeit.»
Schmollend blickten sie noch einmal zur Wand hinauf, und wie aus einem Mund stießen sie Verwünschungen gegen den Fußballspieler hervor, so als hätte sie das Lachen in seinen Augen tief beschämt. Auf dem Poster waren die durchdringenden Augen des dunkelhäutigen Peruaners noch immer deutlich gezeichnet. Er sah aus wie jemand, der alles im Leben erreicht hatte. Wie jemand, der nie verloren hatte.
Dona Leopoldina erfuhr, dass sie wieder rein durfte in ihr Zimmer, und trat erhobenen Hauptes ein wie eine Dame, die ihre Rechte durchzusetzen weiß. Sie fasste gründlich ihren Cubillas ins Auge, um zu sehen, ob ihn auch ja niemand beschädigt hatte. Sie sah den Peruaner unverwandt an und studierte seine Gesichtszüge, als könnte er ihr verraten, was die zwei Polizisten gemacht und worüber sie gesprochen hatten. Sie wollte keine Antwort, es war nur, um sich Gewissheit zu verschaffen darüber, dass sich die beiden Benfica-Schleimer nicht an ihrer großen Liebe vergriffen hatten. Sie legte die Hand an die Brust. Setzte sich aufs Bett und lächelte. Dona Leopoldina verstand nichts von Fußball, und sie hätte einen Spieler nicht vom anderen unterscheiden können, selbst wenn der eine für Porto und der andere für Benfica spielte. Dona Leopoldina lächelte, weil sie an den 8. März 1974 zurückdachte, als sie schon spät in der Nacht heimkam und ein Mann in einem schicken Wagen ganz nahe an ihr vorbeifuhr. Es war ein junger Mann, ja, und sie war fünfzehn oder sogar zwanzig Jahre älter als er. Aber er war wohl reichlich unbesonnen in der Nacht damals, wie ein wildes Tier, das verletzen
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