Das Haus der glücklichen Alten
hängenden Ohren da und machte ein Gesicht, als hätte ich einen Dummejungenstreich angestellt, und als ich zugab, dass ich es war, der die Blumen zertrampelte, hörte sich meine Stimme an, als käme sie aus einem tiefen Brunnen, mit einer Stimme, die den Tiefpunkt der Mutlosigkeit erreicht hatte, weil es so schwer war, als dummer, halsstarriger Alter Verantwortung zu übernehmen. Es war ja nicht Elisa, die mich ausschimpfte, sondern Doktor Bernardo, der mir diese unmissverständlichen Sätze sagte, die man Kindern sagt, und so kindisch auch die Situation sein mochte, ich sank doch nicht ganz zu einem Minderjährigen herab, es war etwas anderes, eine ganz andere Zeit, mit ganz anderen Herausforderungen.
Eines Tages sah mich eine Frau auf Lauras Grab, als ob ich auf den Blumen tanzen wollte. Sie entdeckte mich zuerst von weitem, wobei ich übergroß wirkte, weil ich auf die Steinplatte gestiegen war, und es konnte für sie nicht normal sein, dass dort ein über zwei Meter großer Mensch stünde. Da schloss sie die Augen zu einem Spalt, um besser sehen zu können und zu versuchen, einen klaren Blick zu bekommen und das helle Licht des Nachmittags zu durchdringen, damit sie erkannte, was ich dort anstellte. Dann lief sie ein paar Schritte auf mich zu, und ich bemerkte sie nun auch, ließ mich aber nicht einschüchtern. Ich hatte das damals schon ein paarmal gemacht, und an diesem Nachmittag stand ich auf Lauras Grab, als hätte ich das Recht auf meiner Seite, und verunstaltete die Blumen, damit sie für die Schönheit bestraft wurden, die sie diesem Tod verleihen wollten. Keine Schönheit durfte sich vor meinen Augen an diesem Ort, wo ich dem Körper meiner Frau nahekommen musste, leichtfertig entfalten. Keine Schönheit durfte dieses Weiß überdecken, um mich über die Leere des Steins, die Kälte des Steins hinwegzutäuschen, über die Art, wie der Stein nicht hörte und nicht sprach. Das hier sind nicht Lauras bunte Kleider, es sind nicht ihre zierlich hübschen Modelle, mit denen sie sich jeden Tag zurechtmachte, um eine Dame wie keine andere zu sein. Diese idiotischen Blumen sind überhaupt nichts im Vergleich zu dem, was sie war, sie sind nichts, verglichen mit der Würde, die sie ausstrahlte, und mit der Liebe, die uns vereinte. Die Frau atmete tief ein und sagte, aber mein Herr, Sie sind verrückt, kommen Sie da runter, gehen Sie hier weg! So wunderschöne Blumen, Sie machen die wunderschönen Blumen da kaputt. Schließlich stieg ich hinunter und lief vom Friedhof fort. Meine Schuhsohlen schimmerten noch grünlich, und unterwegs rieb ich sie ab, dabei lösten sich einige Blütenblätter wie unerhörte herabstürzende Vögel. An diesem Nachmittag brachte die ungläubig staunende Frau Lauras Grab wieder in Ordnung und legte ein paar Blumen darauf, die sie mitgebracht hatte. Ich sah voraus, dass sie dies tun würde. Ich sah voraus, dass sie denjenigen bemitleiden würde, der dort für Grabschmuck gesorgt hatte, und diejenige, die dort tot unter dem Stein lag, und dass sie tun würde, was ihr Herz befahl, um etwas für das gute Gewissen und vor allem etwas für Gott zu tun, dieses offene dicke Auge in unserem Kopf. Jawohl, in unserem Kopf.
Gott ist ein Verlangen, das wir in uns tragen. Er ist für uns eine Möglichkeit, alles zu wollen und uns nicht mit dem zufriedenzugeben, was garantiert und reichlich vorhanden ist. Gott ist der Neid auf etwas, das wir uns in der Phantasie vorstellen. Als genügte nicht, was sich uns im Leben alles bietet. Wir wollen mehr, wir wollen immer mehr, sogar das, was es nicht gibt und auch nicht geben wird. Und außerdem erfinden wir Gott, weil wir uns gegenseitig polizeilich überwachen müssen, so ist es. Es ist viel leichter, auf die Nachbarn aufzupassen, wenn wir der Hypothese zustimmen, dass es ein körperloses Individuum gibt, das durch die Häuser fliegt und alles hört, was wir sagen, und alles sieht, was wir tun. Es ist viel leichter, wenn diese Vorstellung jedem Menschen mit dem erschwerenden Umstand eingeredet wird, dass man ihm sagt, eines Tages, wenn er sterbe, werde ihm dasselbe unheimliche Wesen begegnen, um ihn für das Verhalten, das er in seiner Lebenszeit gezeigt habe, zu bestrafen oder zu belohnen. Und die Gemeinschaft atmet erleichtert auf, weil sie weiß, dass wir damit alle aufs Beste polizeilich überwacht sind, wir haben einen Polizisten in unserem Innern, einen, der uns zugeteilt ist und doch auch den anderen und der uns bei jedem Schritt belasten oder
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