Das Haus der glücklichen Alten
in einem faschistischen Regime lebt und wenn die Welt ohne Grenzen ist und zum Träumen einlädt.
Ich kam zusammen mit Senhor Pereira auf den Hof, und sogar Anísio war schon da, und der europäische Silva stieß ein Hurra aus, das selbst im Vergleich zu seinem üblichen Gebrüll laut klang. Gleich darauf zettelte er ein Gespräch an. Kommt her zu uns, wir sind hier, weil wir sehen wollen, wie es mit dem Spanier weitergeht. Und wissen Sie was? Portugal ist immer noch eine Maschine, um Spanier zu machen. Es stimmt doch, wer von uns hat nicht schon wenigstens einmal in seinem Leben bedauert, dass wir unabhängig sind?, wer hat nicht sogar noch inbrünstiger gewünscht, dass Spanien uns zurückerobert, diesmal für immer und für bessere Löhne? Spart euch den Quatsch, liebe Freunde, Patriotismus macht nicht satt, von Vorteil wären spanische Namen wie Pepe oder Pablo, Diego oder Santiago, damit ihr so flugs über die Grenze wechseln könnt, wo man ein größeres Beefsteak isst und wo den Leuten einfach mehr Rhythmus im Blut steckt. Solange es hier in jeder Familie einen Salazar gibt, sind wir dem Feind schutzlos ausgeliefert. Senhor Pereira trug zwar eine Windel, aber er starrte den europäischen Silva an und bat ihn, er solle Erbarmen haben mit unseren Ohren, ein bisschen wenigstens. Damit uns die Sonne auf die Haut scheinen kann, ohne es mit der Angst zu kriegen. Sogar die Sterne nehmen Reißaus vor Ihnen, Senhor Cristiano, sagte Anísio, und die Sonne ändert ihre Umlaufbahn, um nicht von der Nacht überholt zu werden. Wir lachten. Nun lachten wir.
Es waren die portugiesischen Frauen, die für neue Spanier sorgten. Sie machten die Beine breit und bescherten uns diese ausgesetzten, ewig unzufriedenen Spanier, die heim ins Spaniolenreich wollten, damit sie dort ein besseres Zuhause und höhere Löhne hätten, dazu eine Wunder wie großartige Würde, und damit sie nicht dieses fast im Meer versinkende Etwas ertragen mussten, das sich anfühlte, als würde es immer mehr an die Wand gedrückt, bis sie sich voll trauriger Erinnerungen, Gewissensbisse, Wehklagen und frustrierender Kümmernisse den Strick nahmen.
Enrique aus Badajoz in Portugal kam im Rollstuhl an die Sonne. Er wurde von einer Schwester begleitet, die ihm die Hand auf die Schulter legte, wie man es bei jemandem macht, den man überfallen will. Er sah flüchtig zu uns rüber und entdeckte Ziele, die es abzuschießen galt. Heftig wünschte er, uns alle einzeln zu zerschmettern. Vielleicht glaubte er dabei, wir würden ihm nicht die portugiesische Staatsbürgerschaft gönnen. Wir hatten gerade erörtert, welche Sauerei die portugiesische Staatsbürgerschaft selbst nach der Revolution ist und wie viel besser man dran ist, wenn man die spanische hat. Doch die Traditionen diesseits der Grenze liefen den Sehnsüchten im Schädel dieses Mannes eher entgegen. Der europäische Silva begrüßte ihn, guten Tag, Senhor Enrique, seien Sie willkommen. Der Spanier hustete, als wolle er jeden Moment das Zeitliche segnen. Sein Rollstuhl stand nicht weit weg von uns, und vielleicht konnte er noch bruchstückhaft unser Gespräch mithören, aber sich daran beteiligen?, nie und nimmer, er lebte in seiner eigenen Welt. Wir schwiegen. Was wir eigentlich wollten, wussten wir nicht so recht, ein paar kleine Szenen vielleicht wie in einem melancholischen Film. Dann erklärte Senhor Pereira, vielleicht sei es ja Krebs. Das hier ist ganz vom Krebs zerfressen bei mir. Zuerst schien es bloß eine Schlafstörung zu sein, wegen der Träume, aber jetzt sieht es nach etwas Ernsterem aus, nichts ist mehr wie früher, und plötzlich ist es von gar nichts mehr abhängig. Es führt sein Eigenleben und bringt mir den Tod. Die Prostata vielleicht?, fragte der europäische Silva. Und Anísio wies ihn zurecht, ach, Mann, von Ihnen kann man kaum glauben, dass Sie mal im Krankenhaus gearbeitet haben. Darauf Senhor Pereira, das wisse man nicht. Man untersuche ihn, und, ja, es sei wahr, man habe ihm schon zwei Finger in den Hintern gesteckt, um die Prostata abzutasten. Das ist nichts, wofür Sie sich schämen müssten, sprang ihm der europäische Silva bei, bei dem Arzt waren wir alle schon mal, wenn Sie verstehen, was ich meine. Wir lachten. Der Spanier schrie los, Badajoz zu Portugal, er glaubte wohl, es käme jemand aus Asturien angeritten, um die Ungläubigen zu vertreiben und die Glut des nationalen Gefühls neu zu entflammen. Uns kümmerte das wenig. Wir blödelten ein bisschen herum, und das
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