Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus der glücklichen Alten

Das Haus der glücklichen Alten

Titel: Das Haus der glücklichen Alten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valter Hugo Mae
Vom Netzwerk:
außer der enttäuschenden Schule des Lebens, um eine solche menschliche Gerechtigkeit zu erlernen. Die Gerechtigkeit eines solchen Schmerzes galt für alle Menschen.
    Ich wollte Elisa nicht anrufen. Ich dankte für den Hinweis, doch ich verstand, dass die Auseinandersetzung notwendig gewesen war, um sie an die Grenzen meiner Eigenverantwortung zu erinnern. Ich ging auf den Friedhof, und dieses eine Mal brachte ich die blöden Blumen, so gut ich konnte, in Ordnung und war unterm Strich damit ganz zufrieden. Womit nicht garantiert war, dass ich es wieder machen würde, aber ich machte es wieder, ich wollte einfach, dass man mich in Ruhe ließ und mir erlaubte, wieder zu lachen. Anísio war mit dabei, und zu zweit machten wir die Arbeit, als wäre sie sogar etwas Lustiges. Wir bemühten uns um die Kenntnisse, wie man ein Grab verschönert, wir sahen nach, wo wir die Abfälle entsorgen und wie wir Wasser holen konnten, wo wohl der schwarze Eimer aufbewahrt wurde, den die Frauen vom Totengräber ausborgten. Damit vertrieben wir uns gewissermaßen die Zeit. Anísio betrachtete das immer noch gut erhaltene Farbfoto Lauras und dachte darüber nach, was ihr Gesicht ausdrückte. Sie hatte zwei gleichermaßen glänzende Augen, ihr Gesicht leuchtete eigentümlich und strahlte freudig. Ich sagte, das Schlimmste ist, dass ich sie in diesem ovalen Bild sehen muss, so verkleinert auf dem hier im Marmor eingesetzten Foto. Dass ich herkomme und sie so eingeschrumpft sehe, als so was Kleines. Früher, da explodierte sie förmlich, wenn sie sich irgendwo zeigte, was war sie für eine Erscheinung! Das macht den Besuch hier zu einer besonderen Herausforderung, zu einer ganz unvergleichlichen Erfahrung. Anísio antwortete, ich möchte sagen, dass sie eine sehr hübsche Frau war, Senhor Silva, sie hatte ein sehr hübsches Gesicht, man sieht ihr an, dass sie ein schön ruhiges Leben geführt hat. Ich fragte, warum ruhig? Ich machte ihm klar, dass wir beide unruhig gewesen waren. Er zögerte, und dann sagte er nichts. Ich dachte an Senhor Pereira. Es war an der Zeit nachzusehen, wie sein Tag verlief. Ich guckte wieder Anísio an und sagte, holt mir keinen Priester, wenn es bei mir ans Sterben geht, lasst nicht zu, dass er mich anfasst oder neben mir zu beten anfängt. Wenn ich sterbe, möchte ich sicher sein, dass ich nicht in den Himmel komme.
    Das erzählte ich auch noch Senhor Pereira, der diesen Gedanken am Ende lustig fand. Wenn mich ein Engel holen will, sagte ich, dann schneidet ihm die Flügel ab, erwürgt ihn, aber lasst ihn nicht mit mir nach oben entkommen. Ich will weggeschmissen werden. Ich will unter die Erde kommen wie die Sachen, denen niemand eine Seele angedichtet hat. Ich erlaube nicht, dass man mich in den Himmel bringt. Ich erlaube nur, dass man mich in den dreckigen Grund der Erde bringt, wo mich die Würmer fressen und mir für immer den Ärger ersparen, mir der Ungerechtigkeit des Lebens bewusst zu sein. Senhor Pereira lächelte wieder, und dann schwiegen wir. Wir schwiegen, weil wir überlegten, was wir am liebsten sagen wollten, und es trat ein kurzes und sonderbares Schweigen ein. Es herrschte eine gewisse Beschwingtheit bei uns vieren. Bei mir, weil ich noch ein bisschen die Ketzerei herauskitzeln wollte, an der ich mich begeisterte, bei Anísio, weil er alles unter dem Guten verbuchte, durch das ich meine gesunde Gesichtsfarbe wiedergewonnen und neuen Elan entwickelt hatte, beim europäischen, beinahe euphorischen Silva, weil er in mir einen aufsehenerregenden Gefährten gefunden hatte, auf der Höhe seiner überschwenglichen und entschiedenen Äußerungen. Bei Senhor Pereira weniger, und bei ihm weitaus weniger, wie wir nun feststellten. Das Schweigen wurde gebrochen, als er sagte, es ist wirklich die Prostata. Krebs. Ich stellte mir den Umkreis um seinen Anus vor wie ein von Schweinkram geschwollener Kranz. Ich stellte mir vor, wie kleine Würmer diesen Ring durchbohren und dort herumkriechen, so als ringelten sie sich auf feuchter Erde. Ich stellte mir vor, wie Senhor Pereira auf einem gezähnten Maul saß, das ihn auffressen würde, durch den Scheißdarm bis zum Kopf.

19 Wir sind ein Volk auf salzigen Wegen

    Xanica und Pachi hatten einen Hund, der Afonso hieß. Ich soll auf der Stelle erblinden, wenn das nicht stimmt, was ich sage. Da kamen zwei parfümierte Damen herein, und die eine hieß Xanica und die andere Pachi. Und sie brachten einen Hund mit. Sie wollten Dona Beatriz besuchen, die Frau mit den

Weitere Kostenlose Bücher