Das Haus der glücklichen Alten
Ferreira saß ständig an der Küchentheke. Sein Kopf neigte sich über den leeren Teller, auf den er ab und zu mit der Hand fasste, als suchte er nach Essen. Sein Körper beugte sich über den Tisch. Der Kopf war eine Handbreit über dem Teller. Die aufgerissenen Augen bewegten sich in Kreisen, wollten zu den anderen Tischen hinübersehen und herausfinden, wer im Saal war und wer nicht. Eine Stimme aus der Küche sagte hin und wieder zu ihm, Senhor Ferreira, es ist schönes Wetter heute. Ach, was für ein prächtiger Tag ist das. Also, Senhor Ferreira, wie prächtig Sie lächeln. Und da lachte der Mann. Er lachte übers ganze Gesicht, als kitzelte man ihn. Später, wenn alle ihr Essen hatten, kamen die Köchinnen zu ihm, fütterten ihn häppchenweise und behandelten diesen Mann, als gehörte er zu ihnen und als erleichterten sie ihn von einem Kummer.
Nahe bei uns saß gewöhnlich eine ältere Frau mit einem Schultertuch. Auch sie bekam kein Essen vorgesetzt. Sie blieb ruhig, während sie von einem ständigen Kältegefühl heimgesucht wurde und trübe Farbkleckse sah, von denen sie sich vorstellte, sie seien Menschen. Man hatte ihr eine Brille mit dicken Gläsern aufgesetzt, doch sie sagte trotzdem, sie sehe nicht viel, und darum saß sie da, schwankte nach links und nach rechts, um den Oberkörper demjenigen zuzuwenden, der in größter Nähe vorbeikam, sie wollte sehen, ob sie etwas mit den Blicken erfassen konnte, sie wollte sehen, ob sie sah. Sie war gestorben. Sie musste tot sein, weil sie schon so lange nicht mehr auf ihrem Platz saß, die Blindheit musste sie ein für alle Mal fortgerissen haben. Die andere Blindheit, die keine alternativen Sinne verfeinert. Wir fragten nicht mehr nach diesen Leuten, die die Säle bevölkerten, mit denen wir aber nicht redeten. Wir fragten nicht, um nicht das gleiche Ergebnis wie immer zu erfahren, das wäre masochistisch und sogar etwas beleidigend für die Mitbewohner, während sich alle anstrengten, so zu tun, als wäre das hier immer noch eine Stätte des Lebens.
An einem Fenster, tatsächlich ganz nahe an einem Fenster, das zu unserem Hof hinausging, saß den ganzen Tag ein gewisser Robertinho, ein wenige Zentimeter großes Alterchen, das mit kindlich hoher und versagender Stimme sprach und das mit einer Tasse Kartoffelbrei den Kraftstoff für die Bedürfnisse seines kleinen Körpers auftankte. Er setzte keinen Fuß nach draußen. Schwach wie er war, müsste ihn ein Lufthauch umpusten. Wir aßen in maximaler Entfernung von seinem Platz. Wir saßen an dem am weitesten entfernten Tisch, weil er zwar ein winziges Stimmchen hatte, war doch alles bei ihm winzig, aber ihn beseelten ein endloser Redefluss und das hartnäckige Verlangen, den Lebenden etwas mitzuteilen. Verdammt. Wenn man sich in seiner Nähe befand, war das, als hörte man eine Reportage und habe keine Mannschaft, für die man sich begeisterte. Die ganze Zeit, morgens und nachmittags, spähte Robertinho auf den Hof, und zur Essenszeit drehte er sich zum Saal um. Er betrachtete gern die Leute drinnen, die diesen Raum belebten, als wäre dort ein großartig ausgerichtetes Festmahl mit allem Drum und Dran. Er tat, was er konnte, um lauter zu reden, wenn der Lärmpegel höher war als gewöhnlich, und manchmal gab ihm eine Krankenschwester oder irgendein anderer Angestellter unmissverständliche Anweisungen, leiser zu sprechen. Sie fragten, na, Robertinho, mit wem redest du da? Hier hört dir keiner zu. Er sagte, mit den Leuten, ich rede mit den Leuten. Dann wartete er eine Sekunde, und mit einer Elektrizität, die ihn von oben bis unten heftig durchzuckte, zappelte er und hob die Gardine hoch, um in den Hof zu sehen. Er blickte zu Boden, zupfte sich die Jacke zurecht, rutschte den Po auf dem Stuhl zurecht, und dann, wenn er wieder allein war, redete er mit den Leuten, als redeten die Leute auch mit ihm.
Eine eher unauffällige Gruppe von Alten besetzte die Tische an der rechten Seite, die in der Reihe an der Eingangstür standen. Dort gab es das meiste natürliche Licht, dort kam man zuerst hin, und von dort konnte man auch am schnellsten wieder hinauskommen. An diese Tische setzten sich Mitbewohner, die sich stärker als die anderen miteinander vermischten, weil sie vor allem dort saßen, um einen dieser sonnigsten Plätze zu ergattern, und nicht so sehr, um sich mit ihren besten Freunden im Haus zusammenzufinden. Das hatte mit einem Sinn für Chancen und einer gewissen Eile zu tun. Ja, als hätten sie es immer
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