Das Haus der glücklichen Alten
wer so was denkt, sollte sich das aus dem Kopf schlagen. Ich stand auf und verzog mich ebenfalls in mein Zimmer.
Sobald ich in der Nacht das Licht ausgemacht und die Bettdecke bis zum Hals hinaufgezogen hatte, füllte sich das Zimmer mit schwarzen Vögeln, die sich unterhielten. Sofort flogen sie über mich hinweg, als wären sie schon dort gewesen und brauchten die Dunkelheit nur, um sich sehen zu lassen. Ich knipste meine Lampe wieder an, und das Zimmer wurde weiß, weiß wie immer, das Mariechen mit der Schlichtheit, zu der man sie verurteilt hatte, die Wäsche auf dem Stuhl, eine tiefe Stille. Dann kehrte ich zurück in die Dunkelheit. Ich hielt den Körper halb aufgerichtet, um besser sehen zu können, was geschehen würde. Ich stützte den Ellbogen auf die Matratze, und die Vögel flogen wieder umher. Sie streiften mein Gesicht und redeten in einem so schrillen Portugiesisch, dass ich nicht alles mitbekommen konnte, ich setzte mich im Bett hin, wobei mich die Decken schützten, so weit es ging, und ich staunte über diese absurde Gesellschaft. Für eine Sekunde konnten sich die Vögel auf meine Knie, manchmal auch auf meine Füße setzen, sie waren aufgeregt und kümmerten sich scheinbar gar nicht um mich. Die Fensterläden standen offen, und trüber Mondschein drang herein. Ich stand auf, nahm meinen Mut zusammen und öffnete die Zimmertür, ich merkte, dass sich die Vögel über mir versammelten. Ich ging auf den Korridor hinaus, und der Lärm wurde ohrenbetäubend, er hallte im Treppenschacht des Hauses wider, als wären es tausendmal mehr Viecher, die mich umringten. Ich lief zum Zimmer sechzehn weiter, öffnete die Tür, die nun offen blieb, setzte mich aufs Bett und beobachtete Senhor Pereira. Der Vogelschwarm war hereingekommen und wütete in seinem Zimmer genauso wie in meinem. Senhor Pereira spürte den Druck meines Körpers auf seiner Matratze und schlug die Augen auf. Er fragte, sind Sie es, Senhor Silva?, und ich sagte, ich bin es. Ich kann nicht schlafen. Er antwortete, ich auch nicht.
Senhor Pereira fragte, dann sind Sie bestimmt auch meiner Meinung, dass ich recht habe, wenn die mir mit ihrer Geschichte von den Messern in den Beinen kommt, wo ich Krebs habe. Ich lächelte und sagte, die Frau ist nur ungeschickt, sie weiß nicht, was sie sagen soll, und sie hat sich geschämt in unserer Gesellschaft. Er antwortete, sie hat keine Manieren und kein Mitleid, es war keine Scham, es war eine alte, hinterlistige Masche, ihr sollte mal weh tun, was mir weh tut, und sie sollte diese Angst haben, dass sie schon morgen stirbt, da würde sie sehen, ob sie sich um ihre Füße kümmert. Wenn ihr die Füße weh tun, soll sie sich hinsetzen, und dann erholt sie sich schon. Ach, so ist es, Senhor Pereira, sie kann ja wirklich einfach sitzen bleiben. Es gibt auch Rollstühle, und jemand könnte sie schieben und alles, man könnte sie auch die Treppen runterstoßen, und sie wäre ein für alle Mal geheilt. Wir lachten, und er fragte wieder, haben Sie Ihre Zimmertür zugemacht? Ich sagte, ich weiß nicht, ich würde eh nicht den Mut haben, dorthin zurückzugehen. Was sind Sie denn für ein Angsthase geworden! Wenn sie mitkriegen, dass Ihre Tür offen steht, kommen sie her und holen Sie, und sie ziehen uns beiden die Ohren lang! Hinter meinem Rücken wird es Getuschel geben. Erst schlafe ich bei Esteves, und jetzt komme ich her und schlüpfe bei Ihnen unter. Was ist denn los mit Ihnen, Senhor Silva? Ich weiß nicht. Ich sehe schwarze Vögel, Geier, die über meinem Kopf fliegen. Das liegt an Ihren Augen, hier kommen nicht mal Fliegen rein, die Fenster lassen sich nicht öffnen. Ich weiß, ich glaube, das kommt von der Angst. Früher dachte ich, ich hätte vor nichts Angst. Aber ich habe Angst. Wovor haben Sie denn Angst? Dass ich zerlegt werde, dass mich der Tod auseinandernimmt, ich weiß nicht. Nach dem Tod fühlt man nichts, heißt es. Wer sagt das? Das kann keiner wissen. Freund Silva, Sie werden ja ganz spirituell! Nein, es geht nur darum, dass ich Angst habe. Angst habe ich auch, aber nicht davor, zerlegt zu werden, sondern dass ich von hier fortmuss, dass das hier zu Ende geht. Diese Scheiße, fragte ich, dass diese Scheiße zu Ende geht, Senhor Pereira? Er schüttelte den Kopf und sagte, keine Scheiße oder schlimmere Scheiße ist schlimmer. Dann entschieden wir, meine Zimmertür zuzumachen. Wir gingen hin und schlossen sie, und er fragte, sind die Vögel jetzt in Ihrem Zimmer? Ich sagte nein, und er
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