Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition)
längst kannte?
Blindlings schleuderte sie das Papier auf den Boden. Sollte Jonathan doch am Auto auf sie warten, bis er schwarz wurde. Sollte er doch Knight erklären, wohin sie verschwunden war. Sie war allein, wie sie es immer gewesen war, und konnte sich nur auf sich selbst verlassen.
Verdammt sollst du sein, Johnny, mich so getäuscht zu haben.
Sie wollte gerade gehen, als der Computeralarm ertönte. Am liebsten hätte sie den Bildschirm eingeschlagen. Statt dessen blieb sie stehen, bis sie erkannte, was sie vor sich hatte: die Videoaufnahme einer hohen, schwarzen Metallkiste, die an einer hellen Wand aus Ziegelsteinen hing. Oben führten Drähte hinein und unten wieder hinaus.
Der Schaltschrank für das Kommunikationsfeld.
Stirnrunzelnd näherte sie sich dem Monitor. Kam diese Sendung von Jonathan?
Der Bildausschnitt wurde größer. Irgend jemand war da und betätigte die Kamera.
Jetzt erkannte sie, was man ihr offenbar zeigen wollte: oben auf dem Schaltschrank, weit über Augenhöhe und ganz hinten an der Wand, wo niemand, der darauf zuging, ihn sehen konnte, stand ein kleiner Kasten. Er war grün, und rote und blaue Drähte ragten heraus. Ein rotes Licht blinkte.
Am unteren Rand des Bildschirms erschien ein Text, der von rechts nach links durchlief wie das Leuchtband am Times Square.
»Kleiner als die, die Naomis Haus in die Luft gejagt hat, aber ebenso wirkungsvoll.
Er braucht nur die Tür zu öffnen …«
Eine Bombe.
»Mein Gott«, flüsterte sie. »Jonathan!«
Er war noch nicht dort. Sie mußte ihn warnen. Aber wie? Sie drückte die Tasten für die Sicherheitskameras und prüfte ein Bild nach dem anderen, den ganzen Park, Büros, Türen, Gänge, Parkplätze …
Da war er! Sie erkannte die Stelle. Es war einer der Picknickplätze für die Mitarbeiter, wo sie im Freien ihr Essen einnehmen konnten. Jonathan sprach mit einem Mann in der Uniform des Sicherheitsdienstes von Harmony Biotec. Dabei zuckte er mit den Schultern und schüttelte den Kopf, als stelle der Wachmann ihm Fragen. Charlotte überlegte, ob Knight vielleicht schon vorher angerufen und ihr eigenes Sicherheitspersonal angewiesen hatte, sie aufzustöbern.
Sie versuchte nachzudenken. Sie konnte Jonathan nur dann warnen, wenn sie den Schaltschrank vor ihm erreichte. Aber wo stand er? Es gab mehrere dieser Schränke, einen für jeden Gebäudekomplex, weit verstreut über die gesamte Anlage.
Er hat gesagt, er würde zur Hauptverbindungsleitung gehen.
Schnell sah sie sich im Büro um. Aber Jonathan hatte die Blaupausen mitgenommen. Sie versuchte, sich die Pläne vorzustellen, wie sie auf dem Schreibtisch gelegen hatten. Jonathan hatte verschiedene Stellen markiert und mit dem Stift eine Linie gezogen, die vom Museum zum …
Es war der Schaltschrank hinter dem Lagerhaus.
Ohne eine Sekunde zu überlegen – vergessen waren Naomis Brief und ihre Wut, unwichtig die drohende Verhaftung durch Valerius Knight – rannte sie hinaus in das Unwetter, die lederne Umhängetasche über der Schulter. Ihr Herz schlug mit den schweren Schritten: Warte auf mich, Jonathan, warte!
Die Bundesagenten waren überall, aber Charlotte hatte den Vorteil, mit dem Gelände vertraut zu sein. Sie kannte die verborgenen Pfade und unerwarteten, mit Felsblöcken, Bäumen und Bänken angelegten Freiflächen. Sie hielt sich weitgehend an die überdachten Wege, blieb immer wieder stehen und vergewisserte sich, daß man ihr nicht folgte, um dann, so schnell sie nur konnte, dem Schrank mit dem Kommunikationsfeld zuzueilen.
Als sie um die Ecke des Kantinengebäudes bog, in dem auch die Speisesäle und Pausenräume für die Mitarbeiter untergebracht waren, stieß sie gegen ein festes Hindernis, das sie fast umgeworfen hätte. Eine Faust packte sie beim Arm und hielt sie fest.
»Mrs. Lee!« sagte Valerius Knight. »Da sind Sie ja! Ich habe Sie gesucht.«
»Bitte«, keuchte sie atemlos. »Lassen Sie mich los. Jonathan Sutherland ist in Gefahr.«
»Mrs. Lee, ich habe einen Haftbefehl für Sie.«
»Sie verstehen mich nicht!« Sie riß ihren Arm los. »Er kann in den nächsten Minuten ernsthaft verletzt, wahrscheinlich sogar getötet werden! Sie müssen mir helfen.«
»Das einzige, was ich muß, ist, Sie wegen Mordverdachtes festnehmen.«
»Um Himmels willen! Ja, ich kannte die beiden ersten Opfer, das habe ich Ihnen doch schon gesagt.«
»Und das dritte auch. Ein erstaunlicher Zufall, nicht wahr?«
»Sie können mich nicht verhaften, weil es Zufälle gibt,
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