Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition)
Als ich die Wanzen anbrachte, habe ich alle aktiven Monitore aufgenommen. Wir können uns jetzt ansehen, was jeder an seinem Computer gemacht hat.«
Sein Gesicht zeigte eine Mischung aus Triumph und Belustigung. Charlotte mußte an einen jüngeren Johnny denken, der einmal voller Leidenschaft gesagt hatte: »Sie sind die verdammt besten Hacker auf der Welt, Charlie, und ich möchte einer von ihnen sein.«
Das war im Frühjahr 1980 gewesen, und er hatte damit das Institut für Computerwissenschaften am Massachusetts Institute of Technology gemeint. Und während er fortfuhr, ein Loblied auf das MIT zu singen, hatte die dreiundzwanzigjährige Charlotte ihre Tasse mit dem kalten Kaffee festgehalten und den Regen vergessen, der vor dem Caféfenster auf die Straße in Boston strömte, weil sie nur noch einen Gedanken gehabt hatte: Er kommt zurück nach Amerika!
Vier Jahre zuvor, als sie beide gerade die High School abgeschlossen hatten, erfuhr sie von Johnny, daß ihn sein Vater nach Cambridge in England auf die Universität schicken wollte. Nach jahrelangen Versuchen, seinen Sohn in einen Amerikaner zu verwandeln, hatte Robert Sutherland auf einmal gewollt, daß Jonathan in England Mathematik studierte. »Er eröffnet in London ein neues Büro«, hatte Johnny verdrossen erklärt. »Ich will nicht dahin, aber ich glaube, er fühlt sich einsam.«
»Geh mit ihm, Johnny«, hatte sie gedrängt. Es waren die schmerzlichsten Worte gewesen, die sie ihm je gesagt hatte. »Wir können uns immer noch im Sommer sehen, so wie früher.« Also war er nach Cambridge gegangen, und obwohl sie sich schrieben und ab und zu telefonierten, hatten sie sich in den vier folgenden Jahren nur zweimal gesehen. Als sie den Brief bekam, in dem er sie bat, ihn in Boston zu treffen, hatte sie keine Ahnung, was er ihr mitteilen wollte. Sie hatte angenommen, er würde ein Aufbaustudium in England anschließen wollen.
Statt dessen hatte er erklärt: »Ich habe mich für das MIT entschieden.« Er würde auf demselben Erdteil wohnen wie sie und nicht mehr durch ein Meer von ihr getrennt sein.
Als sie ihm jetzt zusah, wie er schnell und energisch mit Apparaten, Drähten und Tastaturen hantierte, zuerst auf dem Computer ihrer Großmutter tippte, dann rasch auf seinen eigenen wechselte, kam die Erinnerung an das, was er ihr an jenem verregneten Tag im Jahr 1980 gesagt hatte, erneut in ihr auf und erfüllte das Büro ihrer Großmutter mit seiner jugendlichen Leidenschaft und Begeisterung.
»Die Hacker dort sind absolute Spitze, Charlie! Ich hab einen Typ kennengelernt, der behauptet, es gäbe kein System, in das er nicht hineinkäme.« Johnny hatte geredet und dazwischen von seinem Hamburger abgebissen, wobei er sich gelegentlich mit dem Handrücken das Kinn abwischte. »Sitzt der Kerl da in der Kneipe und quatscht so gelassen, als ob wir über Fußballergebnisse reden würden. Dann zählt er mir alle auf, die er geknackt hat: Teradyne, Fermilab, Union Carbide. Ich hab gesagt, leck mich am Arsch! Und er erzählt mir, er geht nach Ostberlin und verkauft einzelne Zugangskonten zu diesen Systemen, Paßwörter und Einlogg-Namen! Prahlt, er bekäme über hunderttausend Deutsche Mark für ein Paßwort und Logg-in für das Jet Propulsion Laboratorium in Pasadena!«
Charlotte hatte auf einmal Angst bekommen. »Johnny – du machst doch nicht auch so etwas?«
»Keine Sorge, Liebes.« Er nahm einen großen Schluck aus seinem Bierglas. »Kann ich mir nicht leisten, oder?«
Charlotte wußte von den beiden letzten Ereignissen, bei denen er mit dem Gesetz in Konflikt gekommen war. Einmal war er am University College von London in das System gestolpert und hatte durch Zufall einen Zugang gefunden, der erstaunlicherweise zu einer geheimen amerikanischen Militärdatenbank im Anniston Army Depot geführt hatte. Johnny hatte es hinbekommen, daß man ihn für unschuldig erklärte. Der gute Name seines Vaters hatte geholfen. Das zweite Mal hatte man ihn verhaftet, weil er in das private E-Mail-Netz der rivalisierenden Schule in Oxford eingedrungen war. Dort hatte er sich einen besonders unbeliebten Professor herausgesucht, dessen ausgehende Computerpost abgefangen, den Text verändert und sie umadressiert. Die gefälschten Briefe waren an Amnesty International gegangen und hatten großzügige Spenden angeboten. Als die dankbaren Vertreter der Organisation bei ihm erschienen, um das Geld abzuholen, war der erschrockene Professor so peinlich berührt gewesen, daß er es
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