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Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition)

Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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die Stammbäume über Jahrhunderte zurückverfolgte – begegnet und hatte sich in sie verliebt. Die Flitterwochen im malerischen Inverness brachten ein gutes Zeichen für die Ehe: innerhalb von zwei Monaten war Mary schwanger. Dann aber hatte Robert seine schwangere junge Frau in die USA mitgenommen, in sein Penthaus in Manhattan, zu den Geschäftsessen und Opernabonnements, und Mary hatte durchgehalten, bis das Baby sechs Monate alt gewesen war. Als sie dann erklärte, sie wolle nach Hause zurück, erhob Robert keine Einwände, denn ihre Liebe war irgendwo zwischen der Heide und dem Horizont abgestorben.
    Die Scheidung fand einvernehmlich und in aller Stille statt, und Mary durfte den Jungen behalten. Danach sah Jonathan seinen Vater nur noch in den Ferien. Ein Privatflugzeug holte ihn ab, und er verbrachte zwei Wochen in San Francisco, Honolulu oder Chicago, gewöhnlich in der Gesellschaft von Kammerdienern und Leibwächtern, um dann mit Koffern voller nutzloser, teurer Geschenke für die einfachen Leute zu Hause in den Highlands wieder zurückgeflogen zu werden. Mit zwölf Jahren lehnte er die Einladung, Weihnachten mit seinem Vater zu verbringen, schließlich ab. Robert Sutherland bestand nicht darauf. Als Jonathan dreizehn wurde, erkrankte seine Mutter und starb an einer nicht erkannten, angeborenen Herzkrankheit. Der Vater erhob pflichtgemäß Anspruch auf seinen Sohn und holte ihn »heim« nach San Francisco, wo der ungeschliffene Hochlandjunge auf ein teures Privatgymnasium in Pacific Heights geschickt wurde, um ein »richtiger« Amerikaner zu werden. Das war, als Charlotte ihn damals gefunden hatte, weinend im Park, weil er nicht wußte, wohin er gehörte. Und sie hatte ihn damit getröstet, daß sie auch nicht wüßte, ob sie nun Chinesin oder Amerikanerin sei.
    Jetzt stellte sie ihn sich vor, wie er ausgesehen hatte, als er vor wenigen Stunden angekommen war. Sein grauer Dreiteiler mit den feinen maßgeschneiderten Details wie richtigen Ärmelknopflöchern für die Manschettenknöpfe – ein unauffälliger Hinweis auf Geschmack und Reichtum des Trägers – hatte sie an die Abende erinnert, an denen sie mit Jonathans Vater gegessen hatten. Robert Sutherland führte die beiden Halbwüchsigen in die teuersten Restaurants an der Bucht. Bei Kaviar und Wachteleiern, Châteaubriand mit Sauce Béarnaise und stets flambierten Desserts pflegte er sich dann zu räuspern und zu erklären: »Charlotte ist ein Name von großer Bedeutung in der Literaturgeschichte. Man denkt an Charlotte Brontë.« Oder: »Die Chinesen besitzen eine reiche und alte Kultur. Von ihnen haben wir die Spaghetti, wißt ihr, jawohl, das stimmt, Marco Polo …« Und er hielt ihnen nette kleine Vorträge, um die Kluft zwischen sich selbst und den beiden Kindern zu überbrücken, die ihn verwirrte.
    Robert Sutherland, dachte Charlotte, war vierzig gewesen, als er nach Schottland reiste. Ein Millionär und Selfmademan, ein kinderloser Junggeselle, auf der Suche nach seinen Wurzeln. Er fand sie nicht, aber er pflanzte ein Samenkorn. Charlotte staunte, wie ähnlich Jonathan seinem Vater geworden war. Von dem langhaarigen Rebellen gegen das Establishment, dem das FBI auf den Fersen gewesen war, weil er sich in fremde Telefonnetze eingeschlichen hatte, war nichts geblieben. Jetzt arbeitete er mit dem FBI zusammen und zeigte den Leuten dort, wie man internationale Hacker aufspürte.
    Dieses Jahr wirst du vierzig, Johnny, hätte sie am liebsten gesagt. Wohin wird deine Midlife-Krise dich führen? In wessen Arme?
    Als sie die ungeduldigen Gesichter vor sich wahrnahm, wurde ihr klar, daß sie allmählich den Eindruck erwecken mußte, die anderen nur hinhalten zu wollen, indem sie ihnen Einzelheiten erzählte, die sie schon kannten. Sie schaute auf die Wanduhr. Wieviel Zeit war vergangen? Reichten Jonathan wirklich zehn Minuten, um die Büros zu verwanzen? Außerdem hatte er eine Kamera mitgenommen. Wozu?
    »Okay«, fuhr sie fort, »wir müssen also etwas unternehmen. Desmond, ich möchte, daß du dich mit sämtlichen Handelsvertretern in Verbindung setzt und ihnen mitteilst, sie sollen jeden einzelnen Großhändler in ihrem Gebiet persönlich aufsuchen. Sie sollen fragen, ob jemand etwas Verdächtiges bemerkt hat, ob sich Kunden über Harmony beschwert haben …«
    »Charlotte!« Die Brauen hinter der Sonnenbrille waren finster zusammengezogen. »Das ist die Aufgabe des FDA, nicht unsere!«
    »Des, ich möchte, daß wir der Sache selbst nachgehen.

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