Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition)

Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
Vom Netzwerk:
ausgestellt waren.
    »Gut«, sagte er und wandte sich zur Tür. »Uns bleiben weniger als elf Stunden.«
    Er stockte, drehte sich wieder um, kam näher, um für einen Moment in ihren klaren, grünen Augen zu baden. Er sah, wie ihre Pupillen sich weiteten und der Atem in ihrer Kehle stockte, und wußte, daß das alte Verlangen noch da war, denn es war auch sein Verlangen. »Charlotte«, begann er in plötzlicher Leidenschaft, »es tut mir leid, daß ich auf diese Weise zurückkommen mußte. Es tut mir leid, daß es einer Tragödie bedurfte, damit wir uns wiedertrafen. Aber bei Gott, ich bin froh, daß ich hier bin, und ich schwöre dir bei allem, was mir lieb und wert ist, daß ich bei dir bleibe, bis dieser Alptraum vorbei ist.«
    Ihre Lippen öffneten sich leicht. Vor vielen Jahren, als sie noch sehr jung gewesen waren, hatte er sich immer ausgemalt, wie es sein würde, Charlotte zu küssen. Es hatte Gelegenheiten gegeben und sogar Momente, in denen er gedacht hatte, sie lade seinen Mund dazu ein, wenn sie einander im Golden-Gate-Park gejagt hatten und er sie fing, und sie sich dann zu ihm umdrehte und zu ihm aufschaute, und ihr Mund sich ihm anbot wie eine exotische Frucht. Doch mit fünfzehn hatte Jonathan nicht den Mut gehabt, diesen Schritt zu wagen. Aber ein Jahr später hatte er es getan, als sie ihn umarmt hatte, weil er weinte, und er ihren weichen Körper an seinem und ihren warmen Atem auf seiner Wange gespürt hatte, während sie flüsterte: »Wein nicht, Johnny, es wird alles wieder gut.«
    Plötzlich erschüttert von dem unerwarteten Aufwallen seiner Begierde, trat er zurück und fuhr sich mit der Hand über die Augen, um den Bann zu brechen. »Es dauert nicht lange«, sagte er und war schon fort.
    Sie sah ihm nach. Die Tür fiel ins Schloß. Einen langen Augenblick stand sie da wie verzaubert.
    Vor weniger als zwei Stunden hatte sie sich in einer Welt, die auseinanderbrach, gänzlich allein gefühlt. Nun war Johnny hier. Er hatte nicht gefragt. Er war einfach gekommen.
    Um sie herum war die Stille des Museums, das Echo einer anderen Stille aus vergangenen Tagen. Damals kam sie von der Schule heim in das große Haus, das nach Möbelpolitur und Vollkommenheit roch. Das Dienstmädchen begrüßte sie mit »Guten Abend, Miss«, und die Köchin zeigte ihr stolz die Glasnudeln, die sie extra für sie zubereitet hatte. Charlotte setzte sich an den Küchentisch und las die Nachricht ihrer Großmutter, die sich entschuldigte, nicht dasein zu können. Aber es war eine Ladung seltener Kräuter eingetroffen, die sie persönlich inspizieren mußte. Dann lauschte Charlotte den Nebelhörnern draußen in der Bucht und starrte auf den Teller mit den Glasnudeln, speziell für sie gekocht, weil es ihr Lieblingsessen war und sie der Köchin leid tat, und die Einsamkeit schnürte ihr die Kehle so zu, so daß sie nichts hinunterbrachte.
    Wenige von ihren Schulfreundinnen kamen ein zweites Mal. Ihnen war das Haus zu fremd, vor allem, wenn ihre Großmutter im Cheongsam erschien, das Haar nach chinesischer Art mit Kämmen und Elfenbeinnadeln aufgesteckt. Die Mädchen hatten alle den Film »Suzie Wong« und im Abendprogramm die alten Charlie-Chan-Streifen gesehen. »Raucht deine Großmutter Opium?« hatte ein Mädchen unschuldig gefragt.
    Charlotte hatte die Brücke nicht finden können, über die ihre amerikanischen Freundinnen in die chinesische Welt ihrer Großmutter gelangt wären. Sie schienen sich immer unbehaglich zu fühlen in dem großen Haus, als könne der böse Dr. Fu Manchu jederzeit plötzlich hinter einem Vorhang hervorspringen. Nur Johnny hatte den Übergang spielend geschafft, weil er schon darin geübt war, zwischen zwei Welten zu wandern.
    Johnny hatte es geschafft, daß sich ihr Gefühl der Einsamkeit allmählich verlor. Johnny mit seiner impulsiven Art und seinem Hang zu Streichen, der plötzlich anrief und sagte: »He! Ich habe eine phantastische Idee!« Dann verbrachten sie den Tag womöglich damit herauszufinden, mit wie vielen Cable Cars sie fahren konnten, ohne zu bezahlen, indem sie jedesmal absprangen, bevor der Schaffner kam, und dann auf die nächste Bahn aufsprangen, nur um »das System zu schlagen«. Oder sie führten umsonst Telefongespräche nach Kairo und Athen. Das ging mit Hilfe einer Pfeife aus den Cap’n-Crunch-Cornflakes-Schachteln, deren Tonhöhe 2600 Megahertz betrug, derselbe Ton, der die Fernschaltungen von AT&T aktivierte.
    Johnny verscheuchte aber nicht nur ihre Einsamkeit. Er

Weitere Kostenlose Bücher