Das Haus der Rajanis
frühen Stunde, schläfrig und durcheinander und bemerkten mich nicht einmal, als mit meinem kleinen Bündel ich das Fuhrwerk erklomm, sagten kein Wort und kamen erst zu sich, als der gute Engel etliche Münzen in ihre Taschen gleiten ließ, ihnen etwas zuflüsterte und einen bereits versandten Brief in die Hand gab, ehe schließlich wir uns auf den Weg machten zu dem Orte, der – so meine Hoffnung – mir ein wenig Heilung und Ruhe verschaffen sollte.
Alsbald schaukelten über die gewundenen Straßen und Wege des Landes wir, über die der von dem guten Engel verdingte Kutscher sein Gespann lenkte, derweil Salim und Salam ineinander verwickelt schliefen, ihr Schnarchen munter vor sich hin sägend, und ich mich all der Prophezeiungen entsann, die ich über dieses Land empfangen, über seine Flüsse, die mit Dreck und Müll sich würden füllen, über die Zitruspflanzungen, die gerodet und von Steinen und Mörtel bedeckt werden sollten, über die Dörfer, denen bestimmt, der Zerstörung anheimzufallen und auf immer zu verschwinden, und all dies erschien jetzt so unerklärlich mir, da vor meinen Augen die Bauern fleißig ihre Felder bestellten, die Sonne am Firmament kräftig schien und die Bäume von einem Geflecht vieler Wurzeln im Erdreich verankert standen, alles an seinem rechten Platz und zum Besten bestellt schien, auf immer und ewig, sodass die feste Überzeugung mich beschlich, meine Krankheit sei tatsächlich ein Seelenleiden, und so wie Mutters Nerven geschwächt waren, so waren es auch meine, und ich dankte Gott dafür, dass der gute Engel den Schierlingstrank nicht geleert, und beschloss, sollte dieser Geist, der sich selbst mein Vater nannte, abermals mir erscheinen, würde ich ihm nicht noch einmal erlauben, mich zu täuschen und auf gewundene, schwindeln machende Pfade zu führen, sondern würdeihn all seiner verräterischen Gewänder entkleiden, ihn demütigen und züchtigen, bis von selbst er verschwände, bis meinen Kopf und mein Herz er verließe, um ein einfaches und gebührendes Leben mich führen zu lassen, das Leben eines Knaben, der auf einem Landgut mit seiner geliebten Mutter lebt.
Und mit dem schleppenden, beruhigenden Gemurmel dieses Gedankens, das zu dem monotonen Rattern des Wagens auf dem Weg nach Tiberias sich gesellte, fiel auch ich in einen leichten Schlummer und von diesem in einen langen, wohltuenden Schlaf, der, zu meiner großen Freude, frei von Träumen und Visionen war und nur durch die Rufe des Kutschers und das Schnauben der Pferde von Zeit zu Zeit unterbrochen ward.
23. Februar 1896, auf dem Gute der Rajanis
Eine illustre Gesandtschaft der Chowewim ist heut zum ersten Male auf dem Gut gewesen.
Sie stiegen von ihren Pferden und machten die Zügel an dem gerade ausgebesserten, weiß gestrichenen Zaun fest, ich öffnete das Tor ihnen und sagte: «Das ist das Land des Kushans, von dem ich euch berichtet», und bedeutete ihnen, mir auf dem gewundenen Pfad zu folgen, der jüngst von den Kolonisten, die zur Hand mir gehen, erheblich verbreitert ward. Hernach ließ einen kleinen, hübschen Hügel ich sie erklimmen, der bedeckt von einem Teppich asiatischer Blumen, deutete auf die vielen Dulam Land und sagte: «Hier, neben dem arabischen Gutshause, wird alsbald die erste Kolonie im Lande Israel errichtet, die auf guter und gesunder Erde erbaut», und ohne zu zögern, griff eine Handvoll Erde ich mir und ließ von einer Nase zur nächsten sie wandern,auf dass sie sich an dem betörenden Duft ergötzten und am Reichtum des Bodens erfreuten, und sie alle applaudierten und lachten ausgelassen.
Die Chowewim, angeführt von dem Vorsitzenden ihres Vereins, David Kumar, folgten aufgeregt auf den Hügel mir, klopften mir auf die Schulter und lobten in den höchsten Tönen mich. Joshua Eisenstadt, mit seinem verträumten, fiebrigen Blick, ließ Erinnerungen aus lang vergangenen Tage aufleben, als aller Augen nach dem Anwesen gegiert, der Effendi mit dem roten Tarbush, der hier geherrscht, jedoch alle Geschäfte zunichtegemacht und auf den Dulam hocken geblieben war wie ein Hahn auf seinem Misthaufen. Selbst ihr Vorsitzender, David Kumar, stimmte in die Lobeshymnen mit ein und nahm sich die Freiheit, von den entzückenden Blumen des Anwesens zu pflücken und zu einem sehr hübschen Kranz sie zu flechten, allein ein schönes Fräulein war nicht zugegen, dem er diesen hätte vermachen können.
Derweil begannen alle, über den Poeten mit dem mächtigen Bart zu sprechen, der so wundervolle
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