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Das Haus der Rajanis

Das Haus der Rajanis

Titel: Das Haus der Rajanis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alon Hilu
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zugetan», und er sagte: «In deinen Augen sehe ich, dass etwas du sagen möchtest», und tatsächlich wollte ich ihn drängen: «Ja, guter Engel, trink, trink aus dem Glas, das soeben du abgestellt, leere es in einem Zug und leg auf immer in meinem Bett dich zum Schlafe», doch statt dieser Worte kamen andere aus meinem Munde: «Alles, was zu sagen ich wünschte, habe ich bereits gesagt, und wie gut ist es, dass wir wieder einander zugetan wie einst. Morgen in der Früh werde ich, wie du befohlen, zu den Heilquellen aufbrechen, und dort werden all meine Wunden geschient.»

Wenige Stunden später
    Die Araberin fand nach sehr kurzer Zeit aus dem Zimmer des Jungen sich wieder ein, und in ihrem Munde folgende Worte: «Er scheint einverstanden, wünscht jedoch, dich zu sehen.»
    Ich sagte: «Dann sollte sogleich ich mich erheben und zu ihm gehen.»
    Alsbald klopfte an seine Türe ich, und mein Herz schlug ungestüm, denn unmöglich lässt sich wissen, welche Geheimnisse dieser Junge in seinem Herzen hütet und wann in Begriff er, auszubrechen wie ein Vulkan.
    Zu meiner großen Überraschung saß wie gewöhnlich er an seinem Tisch, nachgerade gelassen, sein Zimmer die Festung all seiner Gedanken. Ja, er wandte nicht einmal den Kopf nach mir. Nur sein schmaler Nacken und die schwarzen Locken, die sein Haupt bedeckten, zeigten sich mir.
    Ich räusperte mich wie ein Mann, der bei einem höhergestellten vorstellig wird, und sagte: «Salach.»
    Er sagte: «Nimm bitte Platz.»
    Ich setzte neben ihn mich. Er legte seine Hand in meine.
    Ich hielt sie.
    «Ist dies das Ende unserer Geschichte?», fragte er.
    Ich sagte: «Was meinst du?»
    «Sind unsere Kapitel alle vollendet?»
    Ich erwiderte: «Nein, da noch viele Zeilen mehr geschrieben werden mögen», denn er, der große Autor, war ja eifrig noch damit beschäftigt, diese zu ersinnen und zu polieren.
    «Und dennoch», sagte er, «ist unsere Geschichte an ihr Ende gekommen.»
    Ich sagte: «Warum sagst solche Dinge du?»
    «Ich gehe fort von hier, um nie wiederzukehren», sagte er.
    «Aber gewiss wirst zurückkehren du», erklärte ich ihm. «In bloß zwei Wochen.»
    Er sagte: «So wie die Pachtbauern du vertrieben und wie schon bald die Araber ihr werdet vertreiben, so vertreibst jetzt du mich.»
    «Du musst wissen, Salach», sagte ich, «dass es die Stimme der Krankheit ist, die aus deiner Kehle sich bricht, eine Nervenkrankheit und Neurose, und eben wegen diesem Leiden müssen dorthin wir dich schicken.»
    Er verfiel in Schweigen, als müsse er meinen Worten auf den Grund gehen.
    Dann fragte er: «Dieser Ort, zu dem ich gehe, wie ist beschaffen er?»
    Ich sagte: «Ein Ort der Erholung und Genesung, der mit seinem heilenden Wasser Ruhe und Rast dir wird bringen. Sieh doch nur, kaum sprechen über die heißen Quellen wir und den angenehmen Sonnenschein, und schon ist ein wenig Gelassenheit über dich gekommen, liegt ein Leuchten auf deinem Antlitz.»
    Er seufzte tief.
    Ich fragte: «Wirst noch immer du von Schreckensvisionen künftiger Tage bedrängt?»
    «Ich weiß bereits nicht mehr, was mich bedrängt und was nicht», erwiderte er.
    Und abermals seufzte er.
    «Warum diese tiefen Seufzer?», fragte ich.
    «Eine gute Neuigkeit habe ich für dich», sagte er.
    «Aber gute Neuigkeiten bedürfen doch keiner Seufzer», sagte ich. «Einerlei, wie lautet sie?»
    Er sagte: «Deine Frau trägt in ihrer Gebärmutter deinen Samen. In neun Monaten wird ein Kind dir geboren werden, eine Tochter mit blauen Augen und von angenehmem Wesen, mit Pausbacken und süßem Duft. Ihre Schönheit wird jedes Auge berücken und die Seelen aller entzücken. Es werden der Tage nicht viele vergehen, und schon wird ihre Zunge sie schnalzen und nach dir rufen, ‹Vater, Vater›, und du wirst diesen Säugling auf den Schoß nehmen und ihn mit Küssen bedecken.»
    Unsagbares Glück überkam mich, und noch ein Augenblick länger, und ich hätte den Jungen auf Stirn und Wangen geküsst, indes, auch großes Erstaunen erfasste mich, denn wie konnte von alldem er wissen? Schließlich hatte noch niemals die gnädige Frau er gesehen, ja wusste nicht einmal um ihre Existenz, und wie hatte er mit solcher Scharfsinnigkeit und Vernunft unser Treiben erraten können, dem im stillen Kämmerlein wir nachgegangen, der gnädigen Frau die erhoffte Empfängnis zu verschaffen?
    Und während ich noch von Hochstimmung und Befriedigung getragen, sagte der Junge: «Ich habe noch eine weitere Neuigkeit für dich, weniger gut als

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