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Das Haus der Rajanis

Das Haus der Rajanis

Titel: Das Haus der Rajanis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alon Hilu
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wie auf der Bank sie saß und gegen den Brechreiz sich stemmte, ihre Schwester und der Doktor über sie gebeugt, denn flugs war Afifa auf ihr Zimmer zurückgekehrt und kam von dort nicht wieder.

    Zwei ganze Tage waren wir unterwegs, und Wärme, Milde und Trost hüllten die auf dem Wagen Sitzenden ein. Mutter hatte mir nie etwas von der Schönheit des Landes erzählt, über die fruchtbaren Ebenen, die mit sanften Hügeln sich abwechselten, über die kleinen Seen, die den niedrigen Wald tupften, über die Weiße der Ströme mit ihrem kristallenen Wasser und die gutherzigen Bauern, denn nie zuvor war so weit ich gereist, derweil Salim und Salam sich in ihren Geschichten ergingen über den großen See von Tiberias, der am Ende unserer Reise uns erwartete, über sein süßes Wasser und die hohen Berge, die ihn umschließen. Auch erzählten sie mir von jenen Wunderquellen, denen wir zustrebten und die voller Zauber und Mirakel, die verhärtete Herzen weich machen konnten, kranke Augen heilen und zerstreute Sinne schärfen und spitzen, und Salim umfing mit seinen muskelbepackten, sonnengebräunten Armen mich und deutete auf einen Umschlag, den in seinem Mantelaufschlag er bewahrte und darin viele Geldscheine, meine Seele dort mit allen nur erdenklichen Annehmlichkeiten und Vergnügungen zu verwöhnen.
    Obschon ich die ganze Zeit wusste, dass Salim und Salam ihre Geschichten erfanden, mir Fabeln, Halbwahrheiten und Übertreibungen auftischten, wie es ihrer Phantasie gerade beliebte, so waren diese Geschichten dennoch dem Ohr angenehm und tröstlich für die Seele, ja angenehmer und tröstlicher noch als die Küsse, die Salim Salam gab und Salam Salim mit gleicher Münze beglich, und in der ersten Nacht unserer Reise, als wir am Rande eines Waldes ein Zelt errichtet, verschwanden diese zwei zu einem Versteck, gingen zum Rauschen des warmen, angenehmen Windes, einer in den Armen des anderen sich zu verlieren.
    Indes, unserer Reise war kein gutes, vergnügliches Schicksal beschieden, denn in der zweiten Nacht, als wir gut die Hälfte des Weges zurückgelegt, die Pferde an einen mächtigen Baumstamm gebunden standen, der Kutscher sich zur Nachtruhe in das Zelt begeben hatte und ich mich auf dem Wagen zusammengerollt, die Nacht sich herabsenkte und nur noch das Zirpen der Grillen und das Quaken der Frösche in der Dunkelheit zu hören waren, wurde ich plötzlich durch einen gellenden Schrei geweckt, und sogleich stahl sich die Furcht in mein Herz, es sei die Stimme des Toten, die dort zwischen meinen Ohren schrie, mich zu schelten, warum noch immer ich nicht mein Schwert erhoben, den guten Engel zu töten, und ich schüttelte meinen Kopf, um den verfluchten Geist zu vertreiben und ihn zurück in die brodelnden, dunklen Gruben der Hölle zu stoßen, doch alsbald hörte ich den Kutscher und Salim und Salam in heller Aufregung schreien: «Räuber! Räuber!», und gewahrte durch die Bäume die Gestalten von Männern, die uns umkreist – vielleicht ihrer vier oder fünf oder gar sechs –, von denen einige das Geschirr des Wagens durchschnitten, andere die Gäule wegtrieben, und der Kutscher rief Salim und Salam zu: «Ergebt euch! Hebt die Hände! Sonst werden sie uns alle massakrieren!», doch Salim und Salam ignoriertensein Flehen und riefen den Räubern zu: «Euer Leben ist verwirkt!», ehe die zwei mit gezückten Dolchen sich auf sie stürzten und dort ein wildes Handgemenge ausbrach, die Männer mit entfesseltem Zorn gegeneinander kämpften und ich in panischer Angst von dem Wagen sprang und mich zwischen den wohlriechenden Blättern eines Dornengestrüpps verbarg, meine Augen, die nach und nach an die undurchdringliche Finsternis sich gewöhnten, miteinander ringende Silhouetten gewahrten, ein durch die Luft schwingendes Schwert, den Schlag einer Keule, bis schließlich Stille über alles sich legte, und ich versteckt mich hielt die ganze Nacht, vor Kälte und Grauen schlotternd, und jedes Rascheln mir nach Vipern klang, jedes Quaken wie das von giftigen Kröten, und nur meine beiden Freunde, Laila und Raschid, trösteten zu jener Stunde mich, Laila mit ihrem weißen, blütenreinen Kleid, das kokett sie schwang, und Raschid, indem seinen Kopf er auf meine Brust legte und seine tiefen, gleichmäßigen Atemzüge meine Seele ein wenig beruhigten.

24. Februar 1896, Neve Shalom
    Es mehren sich die Anzeichen und Vorboten, dass die gnädige Frau tatsächlich in anderen Umständen.
    Nicht nur der weibliche Zyklus hat ausgesetzt bei

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