Das Haus der Rajanis
ihr, sondern auch Erschöpfung, Unwohlsein und Nervenschwäche treten verstärkt auf. Ich bete aus ganzem Herzen, flehe mit aller Inbrunst meiner Seele, dass es ein Sohn sein möge, ein Knabe, der in ihrer Gebärmutter sprießt, und der wohl wird wachsen und lange leben, Kinder und Kindeskinder haben und auf der Erde dieses Landes gedeihen.
Gute Nachrichten umgeben von allen Seiten mich – die Kolonie, die vor meinen Augen ersteht, und die beglückende Schwangerschaft der gnädigen Frau –, doch mein Herz jauchzt und jubelt nicht, denn sooft ich meines Glückes mich will erfreuen, tritt sogleich die Gestalt des Jungen mir vor Augen und mit ihm seine bösen Worte und seine teuflischen Weissagungen, und diese jede Seele durchstoßenden Worte verätzen mir Brust und Eingeweide.
Niemals zuvor bin einer Boshaftigkeit von derart reiner Art ich begegnet, einer Schlechtigkeit, die von keinerlei Nutzen für den Boshaften und allein seinem starken Willen entspringt, anderen Schlechtes zu tun. Gebe Gott, dass all seine Verwünschungen und Prophezeiungen fallen für viele Generationen und alle Zeiten auf ihn und seine Familie und sein Volk, die Araber.
In solchen Stunden regt die Sehnsucht nach dem Wilden Ochs sich in mir. Könnten gemeinsam wir Wodka im Angesicht des Meeres trinken, wären all meine Sorgen gewiss für ein Weilchen vergessen.
Als das erste Licht des Tages durch das Dickicht des Waldes sich brach, bot sich meinen Augen ein Szenario des Schreckens, denn Salim und Salam lagen auf dem nackten Erdreich, neben ihnen der Kutscher, die Kehle durchtrennt, ihre Hosen abgestreift, ihre Brust nackt und entblößt und die Windungen ihrer Gedärme über den Boden ergossen, den Fliegen und Ameisen zum Fraß.
Ich konnte nicht mehr tun, als die Leichen mit ein wenig Erde und Blättern zu bedecken und ein kurzes Gebet für ihre gepeinigten Seelen zu sprechen.
Noch eine Weile stand ich dort in Gedanken versunken, nahmdann Salims Mantel, meinen Leib und Kopf damit zu bedecken und ein wenig Schutz vor der brennenden Sonne zu finden, und kehrte zurück in die Tiefen des Waldes.
26. Februar 1896, auf dem Gute der Rajanis
Salim und Salam sind noch immer nicht zurück von ihrer Reise zu den heißen Quellen. Ich warte bereits begehrlich, mit Gewissheit zu erfahren, dass der Junge in jenem Sanatorium sich befindet und von seiner Krankheit genest, doch noch habe von ihnen ich nichts vernommen. Sicher sind sie gegangen, mit Arabern und Beduinen bei deren sonderlichen Spielchen manch Ausschweifung zu frönen, da nun einmal bekannt, dass die sexuellen Angelegenheiten das Herz des Mannes bestricken und mehr als alles andere geschaffen sind, ihn vom rechten Wege abzubringen. Ich werde mithin noch ein wenig zuwarten, bis sie kommen und mir ihre Kunde überbringen.
In dem dichten, undurchdringlichen Wald hatte alsbald ich mich verlaufen, doch aus Angst und Furcht wagte ich nicht kehrtzumachen, um nicht noch einmal der drei Leichen ansichtig zu werden, die ermordet dort lagen, und nur Salims schwerer Mantel, dem noch immer der Geruch seines Schweißes anhaftete, nur er allein war mir von der Reise, dem Fuhrwerk und all den grandiosen Plänen geblieben, meine Krankheit auf sanftem Wege zu kurieren, mit dem heißen, sprudelnden Wasser der Heilquellen im fernen Tiberias, und während ich noch ausschritt, begann derHunger an meinem Magen zu knabbern, denn ich war allein, einsam und allein zwischen Hügeln und lieblichen Bergen, und auf diesem unkultivierten Land fand ich nichts außer roten und gelben Wildblumen, Gras und Blätterteppichen, und nichts von alledem konnte zum Munde ich führen, sodass ich schnellen Schrittes der Sonne nacheilte, gen Süden, auf Jaffa zu, wo unser Gut gelegen mit seinen Plantagen und Obstpflanzungen, wobei ich mir ausmalte, wie ich nach Hause zurückkehren und über der Früchte Pracht herfallen würde, und Amina würde eine Suppe aus Hülsenfrüchten und Reis mir auftischen, und danach würde zu meinem Zimmer ich hinaufsteigen, mich in meine Geschichten und Verse versenken und alles würde glücklich sich wieder fügen, und während ich so ausschritt, wurde das Gras zu meiner Rechten und Linken immer höher, war offensichtlich, dass ich mich von allen von Menschen gemachten Pfaden und Nebenpfaden zusehends entfernte, sodass ich kehrtmachte und meinen Kopf mit dem Mantel bedeckte, da die Sonne unbarmherzig zu brennen begonnen, und die Zunge hing mir aus dem Mund, suchte nach Wasser, doch dort war kein
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