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Das Haus der Rajanis

Das Haus der Rajanis

Titel: Das Haus der Rajanis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alon Hilu
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Wasser, und ich wusste nicht, ob ich in dem feuchten Erdreich graben sollte, einige wenige Tropfen daraus zu bergen, oder weitergehen, bis zu einer Ansiedlung ich gelangte, und die Gedanken wirbelten kreisend in meinem Kopf, einer nach dem Schwanz des anderen schnappend, bis vor lauter Verwirrung und Hitze ich mich auf die Erde setzte, um meinen Atemzügen ihr Gleichmaß zurückzugeben und diesen Strudel der Gedanken zu beruhigen, und mit einem Mal erinnerte ich mich des Umschlags, der in dem Mantel verborgen und darin viele Geldscheine, mich für die Dauer meines Aufenthaltes bei den Heilquellen zu verköstigen, und wenn ich einen Hirten oder Bauern oder eine Marketenderin fände, könnte ich sie mit dem vielen Geld bewegen, mich von hier zu retten undmich zurück zu unserem Haus zu bringen, zu meiner Mutter, meinem geliebten Zimmer, wollte Gott, ich hätte es niemals verlassen, und als nach der Innentasche ich tastete, die wie durch ein Wunder den Augen der Räuber in der Nacht verborgen geblieben, fand ich tatsächlich dort einen Umschlag, darin jedoch keine Geldscheine, sondern nur ein Brief, der wie folgt sich las:

    An
    Die Nervenheilanstalt Al-Mussad, Nablus

    Ich gebe hiermit in Ihre fürsorglichen Hände meinen Sohn, Salach bin Mustafa Rajani, wohnhaft auf dem Gute der Rajanis unweit von Jaffa.
    Der Knabe leidet Schaden an seiner Seele und ist nicht in der Lage, zwischen Gut und Schlecht zu unterscheiden, zwischen Wahrheit und Lüge, Vergangenheit und Zukunft oder Realität und Imagination. Traurige Pflicht ist es mir, Sie eindringlich warnend davon in Kenntnis zu setzen, dass ungeachtet des unschuldigen und sanften Äußeren meines einzigen Sohnes er eine große Gefahr für sich selbst und andere darstellt. Bei einer Gelegenheit etwa hat auf dem Gemüse- und Obstmarkt von Jaffa er mit absonderlichen Untergangsprophezeiungen eine Panik ausgelöst, bei anderer Gelegenheit machte er Anstalten, sich im Wasserreservoir unseres Anwesens zu ertränken, und bei einem dritten Vorkommnis schließlich hat die Hütten der Pachtbauern auf unserem Gut er in Brand gesteckt, diese auf immer von unserem Land vertrieben und so Zerstörung und Ruin gesät.
    Auf Geheiß seines Arztes, Doktor Al-Bittar Al-Hakim aus der Gasse der Geldwechsler in Jaffa, der Sie bereits in einem Schreiben über den Zustand meines Sohnes aufgeklärt, ersuche ich Sie hiermit, ihn in Ihrer Anstalt in einer geschlossenen und bewachten Zelle zuhalten, sodass er weder Hand an sich lege noch anderen ein Leid zufüge und keinen Hader und Streit heraufzubeschwören imstande.
    Mit den Tränen einer liebenden Mutter, die allein um ihren Sohn besorgt, lege ich diesem Schreiben eintausend Franken bei, um all seine Aufwendungen für eine Dauer von sieben Jahren zu decken. Gebe Gott, dass seine vollständige Heilung lange vorher möge erfolgen.

    Hochachtungsvoll
    Afifa Umm-Salach Rajani

    Ein großes Lachen tönte in meinem Inneren über diesen Mann, der nicht einen Funken von Anstand in sich hatte, der in meinen Augen verachtenswerter und verabscheuungswürdiger noch war als die Würmer, die in Kloaken sich suhlen, der mit dem Atem seines Mundes und den Worten seiner Zunge und den Epigrammen seiner Hände die reine Luft und die geheiligte Erde dieses Landes beschmutzt, und bei diesem Lachen, dem Spott und der Verachtung wusste ich bereits, dass ich meine letzten, schwindenden Kräfte, die Kräfte eines kleinen Jungen, der staunend vor einer Welt aus Schmutz und Verderbtheit steht, dass ich diese Kräfte der Aufgabe weihen würde, das Andenken dieses Feindes und Widersachers von unserem Land zu tilgen, für jetzt und immer, und ich zerriss den Brief in Fetzen, spuckte auf seine verlogenen Worte und verstreute sie in alle Winde.

27. Februar 1896, Neve Shalom
    Die auf dem Gut werktätigen Kolonisten weigerten heute sich, an die Arbeit zu gehen, und kamen aufgewühlt und auf das Höchste erregt zu mir. Ich fragte sie, was geschehen sei, und sie riefen: «Ar-Ruch! Ar-Ruch!», ja in der Sprache der Araber hatten begonnen sie zu sprechen, und ich schlug gegen Stirn und Schläfen mir, wie ein Mann im Zustand großer Verzweiflung, und sagte zu ihnen: «Jetzt leiert sogar ihr diesen törichten Vers?»
    Menachem-Mendel, Asher-Jehoshua, Shimon-Jedel und die fünf anderen Kolonisten waren allesamt leichenblass, und aus ihren kruden Worten zeichnete alsbald sich das Bild eines Geistes, der auf den Rücken sie schlage und ihre Hände lähme, wenn Bäume sie beschnitten oder

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