Das Haus der Rajanis
Geschnatter wie das Krächzen der Kraniche, und neben der Bahnstation hatten sie Geschäfte und Cafés sich errichtet, doch nicht wie das mir aus Jaffa vertraute
Maqha
, wo die Onkel und die Großväter sitzen, ihre Gebetsketten durch die Finger gleiten lassen, dem wehmütigen Spiel der Violine lauschen und den Rauch der Wasserpfeife einsaugen, sondern vielmehr ein Ort, an dem geschwätzige, unsittliche Frauen, die Arme entblößt, der Kälte des Winters zum Trotz Eiscreme lecken und lautstark, von sonderbaren Grimassen untermalt, mit ihren Ehemännern diskutieren, während die Männer, angetan mit absonderlichen, langärmligen und langbeinigen Kleidungsstücken und schwarzen Hüten, mitunter Papiere vor sich ausgebreitet auf dem Tische liegen haben und sich in das dort Geschriebene versenken, nach dem Beispiel der Schriftsteller, wie ich selbst es zu tun pflege, indes allein in meinem kleinen Zimmer. Da berührte eine Frau meinen Arm und fragte nach meinem Namen, und ich antwortete ihr in der französischen Sprache, mein Name sei Salach, und fragte, wo ich den Engel wohl finden könnt, wo seine Flügel erblicken, doch sie schwangabwehrend den kleinen Finger, ehe alles im Qualm und Pfeifen eines einfahrenden Dampfzuges ertränkt ward.
Der Fahrgäste viele waren aus Al-Quds, der Heiligen Stadt, eingetroffen und stiegen am Bahnsteig aus, unter ihnen Araber von unserem Volke, die nach Jaffa sich aufmachten, und Christen, die es zu den südlichen Vierteln drängte, derweil ich einer Gruppe von Juden folgte, ihr Gebaren zu erlernen, als mit einem Mal dies blonde Haar und diese Locken wie Schwalben über dem Wasser tanzten, und ich schrie: «Gabriel, Gabriel!», doch er eilte davon, versunken in das Geschwätz der anderen Fahrgäste, die mit ihm waren, da wie ein Mann sie gingen, den Häusern zustrebend, die in der Nähe des Bahnhofes standen. Ich ergriff mein Fahrrad und begann sie zu verfolgen, da Gabriels güldenes Haar sich mir in einem Augenblicke zeigte und im nächsten verloren schien, doch kaum eine Minute später verabschiedete von seinen Kameraden er sich, hob grüßend seinen Hut, und ich wollte ihn rufen, doch da schnürt es mir die Kehle zu, was, wenn ihm überhaupt kein Übel widerfahren, was, wenn der Engel Gabriel mich nicht zu sehen mehr wünscht? Unterdessen der Engel sein Haus betreten, ein kleines, gedrungenes, zweigeschossiges Haus, aus dem das Kreischen eines Zahnbohrers drang, und davor ein kleines, kümmerliches Bäumchen, das nichts mit den Bäumen auf unserem Anwesen gemein hatte, hinter dessen spärlichem Blattwerk ich mich nun aber verbarg und durch das Fenster spähte, als eine Frau mit schönen Augen, in einen weißen Kittel gekleidet, das Haar auf ihrem Kopf hochgesteckt wie ein Bund Zwiebeln, mit freundlicher Miene auf ihn zutrat, er sie begrüßte und liebevoll küsste, alsdann seine Jacke ablegte, seinen Hut auf der Garderobe platzierte und seine Arme dehnte, um im nächsten Augenblick ans Fenster zu treten und meinen Blick zu gewahren, und Sprachlosigkeit schnürte mir die Kehle zu, als ob all meineWorte, diese Worte, die hier in großem Schwalle niedergeschrieben, über viele Zeilen, plötzlich aus dem Leben geschieden, denn der Engel Gabriel streckte rücklings auf einem hohen Sofa sich aus, sein Antlitz ein Spiegel der Sorglosigkeit, als aus einem der Zimmer des Hauses mit einem Mal ein arabischer Würdenträger trat, Wange und Kiefer von blutigen Binden bedeckt, und die weißhäutige Frau ihn aus dem Hause geleitete, erpicht darauf, sich seiner zu entledigen, denn hernach verschloss die Tür sie und lockerte ihr langes, goldenes Haar, das sich bis in den Nacken ergoss, setzte alsdann sich zu dem Engel Gabriel und streifte erst seine Schuhe und dann die ihrigen ab, sodass sie nackten Fußes waren, barfüßig für alle Welt zu sehen, und kitzelten einander, seine großen, kräftigen Zehen die zarten Rundungen der ihren, deren süßer Duft bis zu mir drang, durch das Fenster mitsamt seinem Glas, derweil sie ihm etwas erzählte, in sein Ohr flüsterte und sie lachten, gemeinsam Wein aus kristallenen Gläsern nippten und ein kleines, behagliches Feuer in ihrem Hause brannte, als ein gewaltiger Donner vom Himmel erklang – bald schon würden Blitze niederfahren, würden Knochen rasseln und bis auf ihr Mark durchnässt werden –, und dort stand ich im Schatten des einzigen, einsamen Bäumchens, durch dessen Blätter der Wind fuhr, dessen Stämmchen dünn und jung war, einen Moment noch
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