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Das Haus der Rajanis

Das Haus der Rajanis

Titel: Das Haus der Rajanis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alon Hilu
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hierzulande noch niemals offeriert, stattliche fünfzehn Franken in Summe für einen
Dulam
, bares und gutes Geld. Er gab vor nachzudenken – vielleicht über die goldene Quaste an seinem Tarbusch oder weiß der Teufel was –, schaute alsbald zum Fenster hinaus, nahm eine getrockneteKichererbse und meinte schließlich mit seiner schwachen, kraftlosen Stimme, für weniger als vierzig Franken der
Dulam
gedenke das Anwesen er nicht zu veräußern.
    Da mir der Hang zu Feilschen und Geschacher, welcher in diesen Breiten Unsitte, bereits wohlvertraut, machte alle erdenklichen Angebote ich ihm, sann in Gedanken über Mittel und Wege, einer solchen Summe Geldes für dies wundervolle Anwesen habhaft zu werden, doch der beleibte Effendi, mit Juwelen bedeckt wie eine Sklavin in des Sultans Harem, wiederholte bloß immerzu diesen unerhörten Preis, vierzig Franken je
Dulam
, und wies mir schließlich den Weg zur Tür.

    Vater hatte schon seit Ewigkeiten ich nicht mehr gesehen, da immerzu auf Reisen er und niemals eine freie Stunde ihm vergönnt, und zu allem Überfluss brachte Mutter ihn heute mit ihrem Gerede in Harnisch – erzählte etwa ihm von meiner Abwesenheit von unserem Gut vor einer Woche und über die Fahrt mit dem Rad, die ich ohne ihre Erlaubnis unternommen –, worauf, da ich am Abend im Speisezimmer saß, auf dem Tische vor mir ein halb geleertes Glas Wasser und einen weißen Teller mit einer Pfütze Suppe darin, er den Raum betrat und ich den Kopf senkte, um seinem Blick nicht zu begegnen, doch aus dem Augenwinkel konnt sehr wohl sehen ich seine hohe Gestalt, das schwarze Haar und die feurigen Augen, denn Vater ist stark und furchterregend, kann Berge versetzen und Felsbrocken schleudern, sein Schlag ist kräftig und schmerzhaft, und jedes Wort aus seinem Mund, das aus seiner Kehle sich bricht, versetzt in Angst und Schrecken alle Bewohner des Hauses, derweil Mutter ihm folgte wie ein Schatten, den schwarzen Schleier vor ihrem Gesichtund ihr bedrückendes Schweigen Unheil verheißend, da Vater mich fragte: «Wo bist du gewesen in den Tagen, in denen ich fort?», und Mutter flüsterte: «Deine Weisungen missachtet hat er, hat sein Fahrrad genommen und das Gut verlassen», und Vater sagte: «Antworte auf meine Frage!», und mein Blick senkte sich noch tiefer, da er die Stimme erhob und Speichelfetzen aus seinem Munde geflogen kamen: «Antworte sofort auf meine Frage!», und Mutter flüsterte: «Halte an dich, schlag den Jungen nicht», und Vater sie anherrschte: «Schweig still!», und ich endlich mit dünner, piepsender Stimme antwortete: «Vater, zum Engel Gabriel bin ich gegangen», darob Mutter mich voller Entsetzen anstarrte, doch gleich erzählte die ganze Begebenheit von Anfang bis zum Ende ich ihm, von dem guten, schönen Mann mit den goldenen Locken, der unser Anwesen jeden Tag besucht und durch die Räume geschritten wie ein Hausherr und Besitzer, und Mutter fuhr über den Mund mir und sagte mit bangem Lachen zu Vater: «Der Junge spricht, was seiner Einbildung entsprungen», doch ich sagte zu ihm: «Vater, der Engel Gabriel ist ein Mann aus Fleisch und Blut, er lebt und atmet, die Pachtbauern selbst haben ihn gesehen, wie er mit mir auf dem Kreidefelsen bei dem Friedhof gesessen, da wir gemeinsam aufs Meer geblickt, auch hat er ihnen ihr Arbeitsgerät gerichtet und ihre windschiefen Hütten gestützt», und Vater sagte zu mir: «Geh auf dein Zimmer und komm nicht wieder herunter», und als die Treppe ich hinaufstieg, hörte ich ihr Lachen zu tränenerstickten Schreien werden, vernahm donnerndes Brüllen und Schelten und dann das Geräusch eines Wasserglases und eines Suppentellers, die auf dem Fußboden zerschellten.

25. Dezember 1895, Neve Shalom
    Vom Regen flugs durchnässt ging ich, Salim und Salam um Rat zu fragen. Ich fand die zwei in einem beheizten Raum in Jaffa hockend, inmitten des Zimmers ein qualmendes Kohlenfeuer, dessen Rauch hoch und höher stieg bis zu einem runden Fensterchen just unterhalb der Zimmerdecke, und die beiden damit beschäftigt, einer dem anderen den bronzenen, nackten Rücken zu massieren, einmal Salim stehend und Salam sitzend, alsbald Salam stehend und Salim sitzend.
    Allgemach vergegenwärtigt sich mir, dass die Männerliebe offenbar eine unter den Arabern allgemein bekannte Erscheinung. Was allein darin seinen Grund hat, dass diese Nation, die einstmals zu den wagemutigsten auf dem ganzen Erdenrund gezählt, von Generation zu Generation geschwächt ward, versponnen

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