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Das Haus der Rajanis

Das Haus der Rajanis

Titel: Das Haus der Rajanis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alon Hilu
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Stattdessen wiederholte sie ein ums andere Mal, dass sie mich wolle, mich allein, und dies nicht nur im Namen der Liebe, die in ihr brenne, sondern auch für den Jungen, den Jungen, und hier nun begann sie, die betrüblichen Veränderungen vor mir zu entrollen, die sich an Salach vollzogen, seitdem sein Vater zurückgekehrt und ich dem Anwesen der Rajanis ferngeblieben. Zu seinen alten schlechten Gewohnheiten sei zurückgekehrt er, sagte sie, werde Nacht für Nacht von Albträumen heimgesucht und gebe halluzinatorische Faseleien von sich über das Ende aller Tage und den Tag des Jüngsten Gerichts, wenn der Himmel bersten und die Gräber zerfallen würden, ja er erzähle von einem künftigen Kriege, dessen herzlose Sieger die Araber mit dem Schwerte abschlachten und sich ihrer Häuser bemächtigen, ihre Dörfer mit eisernem Pflug umpflügen und Salz in die waidwunde Erde geben würden. Mehr noch, voll der Verzweiflung war Afifa, da Salach von neuem über seinen Tod nachsinne und immerzu auf das Wasserbassin weise, aus dem sein Ende kommen würde, und all die frohgemute Röte, die seine Wangen mit Leben erfüllt, all die Freude und Ausgelassenheit, die in seine Tage getreten, all dies sei fort und verschwunden.
    Während sie noch in wachsender Hysterie vor sich hin plappert wie Mütter zu tun pflegen, die um ihre Sprösslinge besorgt,reift ein Gedanke in meinem Hirn heran: Schon am nächsten Tag würde Mustafa Abu-Salach ich meine Aufwartung machen und ihm vorschlagen, Land von seinem Anwesen zu erwerben. Gewiss wird er nun, in seinem Zustande der Krankheit und Schwäche und in Anbetracht des Umstandes, dass das Gut ihm eine beträchtliche und kostspielige Last, sich gewogen zeigen, einzelne Parzellen an Juden zu verkaufen, um den Unterhalt des Gutes ihm zu erleichtern.

24. Dezember 1895, Neve Shalom
    Heute habe zu dem Gut der Rajanis ich mich begeben. Es empfing die alte, griesgrämige Dienerin mich, die zu jener Stunde gerade damit beschäftigt, ein Gewand auf einem Waschbrett zu scheuern. Nicht einmal mit einem angedeuteten Lächeln oder einer unmerklichen Grimasse gab zu erkennen sie, dass mein Anblick ihr geläufig. Stattdessen bedeutete sie mir, ins Haus zu treten, das, wie immer, in Zwielicht getaucht lag und den modrigen Geruch von hohen Jahren und stehendem Wasser verströmte, derweil ich darüber nachsann, dass Afifa und Salach sich just zu dieser Stunde in ebendiesem Haus befanden, so nah und zugleich so fern. Wir betraten eine Art weitläufiges Kabinett, staffiert mit roten und orangefarbenen Sitzkissen in großer Zahl, die von der Sonne ausgeblichen, und dort war es, dass zum ersten Male von Angesicht zu Angesicht, von Leib zu Leib, Seele zu Seele, ich den gepriesenen und allbekannten Gatten und Vater traf, den gnädigen Herrn Effendi Mustafa Abu-Salach Rajani.
    Drei ganze Monate verkehre ich nun schon mit denen, die aufdem Gut der Rajanis leben, komme und gehe, studiere ihre Natur und ihre Gepflogenheiten, und seit drei geschlagenen Monaten höre Geschichten und Sentenzen ich über diesen Mann von Ehre und Ansehen, weshalb meine Neugierde beträchtlich war, in das Gesicht des Gatten und Vaters zu blicken, desjenigen, der dieses fruchtbare und weite Land sein eigen nennt, doch als die finster blickende Dienerin die Tür zu seinen Gemächern mir öffnet, entrang ein Kichern sich meinem Munde, da der Mann vor mir nicht wie ein Manne sich präsentiert, sondern wie ein Weib – sein Mienenspiel war ein feminines und weiches, seine Augen wässrig wie die eines streunenden, tollen Hundes, an seinen Fingern trug goldene Ringe er und um den Hals funkelnde Ketten, auf dem Kopf einen infantilen Tarbusch, mit rotem Filz bezogen und einer güldenen Quaste zuoberst. Hätte mit Gewissheit ich nicht gewusst, dass meine Füße auf arabischem Land gestanden, wäre überzeugt ich gewesen, eine hurende Ballerina in einem der Straßentheater Wiens vor mir zu haben.
    Der Effendi bettete sein breites, ausladendes Hinterteil auf den roten Samtkissen, faltete die Ärmel seines pompösen, geckenhaften Gewandes und bedeutete mir mit einem schwachen, angedeuteten Wink seiner schlaffen Finger, ich möge neben ihm Platz nehmen und mich an einer Schale mit Gebäck und getrockneten Früchten gütlich tun.
    Nachdem der ermüdende Austausch von Höflichkeiten und anderen Formalitäten, die in Asien Sitte, vollzogen, vernahm der Effendi mein großzügiges Angebot, das Gut gegen eine exorbitante Summe Geldes zu erwerben, wie sie

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