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Das Haus der Rajanis

Das Haus der Rajanis

Titel: Das Haus der Rajanis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alon Hilu
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senkte und flüsterte: «Salach, wir glauben jedem deiner Worte, doch wir können ihnen nicht folgen, denn es ist ein Urteil Gottes, das gegen uns verhängt, und den Willen Allahs kann kein Mensch nachbessern noch ändern», und alle kehrten zurück zu ihrem Kreis um das qualmende Feuer, auf ihren Lippen ein altes Lied über einenLandarbeiter, der von seiner Scholle sich verabschiedet, von einem Wanderburschen, der über das Meer segelt und niemals wieder zu seinem Haus wird zurückkehren.

9. Februar 1896, auf dem Gute der Rajanis
    Die Arbeit ist getan und erledigt. Heute wurden die Pachtbauern vom Anwesen der Rajanis vertrieben.
    Schon am frühen Morgen nahmen fügsam sie Aufstellung neben ihren Hütten, ihre Habseligkeiten alle verschnürt und gepackt. Die Kinder standen schweigend und stumm, die Männer mit gesenkten Köpfen. Nur die Frauen suchten emsig noch in allen Ecken nach letztem Tand, der vergessen, einem rissigen irdenen Becher, einem dreckgeschwärzten Schal oder einem verblichenen Schuh.
    Und als wollten die Klänge der Melodie sie verstärken, welche die ganze Nacht über in meinem Kopf widergehallt, umstanden die Frauen die letzten, verlöschenden Flammen der nächtlichen Feuer und sangen schluchzend, mit ersterbendem Flüstern, die Worte, welche der Wilde Ochs mir hernach übersetzt:
    Lebt wohl auf immer, Weinberg und Krume,
    eurer Felder Tage erblüht in Rosen und Ruhme.
    Geliebte Töchter, in meinem Munde traurige Kunde:
    An ihnen unser verlöschtes Aug nimmer gesunde.
    Sie machten in langem Tross sich auf den Marsch, in vorbildlicher Stille, die wohltuend sich unterschied von ihrem aufsässigen Treiben ehedem, hin zu einem Ort, den ihre Ältesten ihnen gewiesen,den fruchtbaren Tälern im Norden des Landes, wo ein anderer Effendi ihrer harrte mit harter Arbeit, mit Unkrautjäten und der Bewässerung der guten, fetten Böden. Und da die Karawane sich entfernte, sich zu dem schmalen Pfade wandte, der um die
Biara
sich schlängelt, dann zum Tor und von dort weiter nach Norden, über die Furten des Wadi Musrara, und die Frauen ihre Säuglinge beruhigten und die Kinder ihre Eltern mit unschuldigen Fragen bestürmten, gewahrte mit einem Male die Gestalt des Jungen ich. Stumm und gesammelt trat unter den dichtbelaubten Orangenbäumen er hervor und stand nun am Rande des verlassenen Dorfes, vergrub sein dunkles Haupt in den Händen und brach in bittere Tränen aus.

    Hinter den giftigen Blättern des Oleanderbusches kauerte den ganzen Tag ich, rieb mir die Augen und mochte das satanische Schauspiel nicht glauben, das sich ihnen bot, denn da war der böse Engel, begleitet von vielen seiner jüdischen Gefolgsleute, und sie schrien laut und grob, befahlen den Männern, aus den Hütten zu kommen und an einem Ort sich zu versammeln, und die Frauen und Kinder trieben an einem anderen Ort sie zusammen, ehe die Handlanger des Engels sich daranmachten, die schäbigen Kleider der Männer zu durchstöbern und Ringe oder Münzen daraus zutage beförderten, von der Erde aufhoben, was zu Boden gefallen oder vergessen, kümmerliche Schmuckstücke oder Amulette, und dies alles stopften in große Säcke sie und nahmen es an sich, und ich verfolgte dies Schauspiel und vermochte nicht, seinen Ursprung zu erraten oder zu ergründen – war pure Verruchtheit dies oder eine Blendung unverhoffter Macht? Und wo war Mutter? Warum erlaubte sie ihrem Geliebten,dergestalt zu rauben und zu plündern? Und wo war Vaters Geist? Warum rüttelte nicht er an den Bäumen, brach ihre Stämme und Äste nicht, den guten Engel darunter zu begraben? Derweil verspotteten seine Schergen die dort sich drängenden Pachtbauern, und vor ihren Augen zogen einen brennenden Scheit sie aus dem Feuer und warfen ihn auf die Hütten, und die Flammenzungen leckten an Stroh und Spreu, anfangs zögerlich, als ergründeten sie die Art ihrer Mission, und hernach mit wachsender Begierde, einander anfachend, bis die Behausungen der Bauern sich ihnen ergaben, eine Hütte die nächste entflammte und die Funken von einem Dach zum anderen stoben, nach wenigen Minuten das ganze Dorf lichterloh brannte und von der Feuersbrunst verzehrt ward, derweil die Pachtbauern reglos dastanden, doch die Handlanger des Engels drängten sie bereits, vertrieben von dort sie auf immer, da eine Rauchsäule aus den niedergebrannten Hütten bis in den Himmel sich wand, ein Nachklang, eine letzte Erinnerung an lange Tage, die waren und nicht mehr sind, und nichts ist mehr geblieben nun von

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