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Das Haus der Rajanis

Das Haus der Rajanis

Titel: Das Haus der Rajanis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alon Hilu
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meine Brust ob dessen, was zwischen uns zerbrochen, ob seiner Liebe zu mir, die von Rachegelüsten abgelöst, ob der süßen Geheimnisse zwischen uns, an deren Stelle Intrigen und Schliche getreten.
    Und als wenn meine Gedanken er gelesen und als ob er selbst ähnliche Gedanken gewälzt, kam Salach leise, wie bei jenem Mal, jenem ersten, zu den Kissen, auf die gelehnt ich saß, und ohne ein Wort räumte er einen Platz sich neben mir, legte seinen Kopf auf meine Brust und seinen schmächtigen Körper an den meinen und gab einen kleinen, süßen Seufzer von sich, das Seufzen eines Knaben, der den Trost seines Vaters sucht.
    In der Stille des Abends, zum Schein der wenigen Kerzen, strich mit dem Handrücken ich über seine glatte Wange, die kein Rasiermesser je berührt, und über seine geschlossenen Augen, die noch nicht alle Verderbtheit der Welt geschaut, und flüsterte in sein Ohr: «Ich verspreche dir, Salach, wir werden zu glücklichen Tagen zurückfinden, und alles wird wieder im Lot sein», und er murmelte etwas, halb schlafend, halb wachend, und ich wiederholte: «Zu glücklichen Tagen werden wir zurückfinden,und alles wird im Lot wieder sein, das verspreche ich dir», und Salach nickte im Schlaf, in dessen Tiefen er mit einem Mal gesunken war, und wie süß und erquickend dieser Schlaf und wie liebenswert jener Augenblick, und da ich nun meinem Tagebuch dieses anvertraue, steigt abermals abgrundtiefe Traurigkeit in mir auf über all das Schöne und Gute, das war und verging, und über all das Hässliche und Schlechte, das kommen wird.

    Der Engel ist abermals mir in seinen guten Farben erschienen, denn heute hat in unser Haus er den hochverehrten, geachteten Doktor aus der Gasse der Geldwechsler bestellt und diesem in besorgtem Ton von meiner Krankheit berichtet, derweil ich sie beobachtete und belauschte durch Ritzen und Spalten und großes Erbarmen mich überkam ob des guten Gemütes des Engels, ob seiner gesegneten Taten und seiner schuldlosen und unschuldigen Seele, denn nicht für einen Augenblick käme ihm in den Sinn, welch Sünden meine Seele befleckt, wie es mich verlangt, ihn zu töten, wie das schlimmste aller Schicksale ich ihm gewünscht, wie ich Fallen und Stricke ihm gelegt und Ärger und Sorge über ihn gebracht, und das alles für nichts, und all meine schändlichen Intrigen springen aus meiner Kladde mich an, vulgäre Worte, vom Wahnsinn gepackt und mit Tinte niedergeschrieben, und wer soll diese Zeilen zu Papier gebracht haben, wenn nicht ein niederträchtiger, undankbarer Junge, der sich allen entfremdet, die ihn lieben, und schon verlangte es mich, zu ihm zu gehen, zu dem guten Engel, und in seinen Schoß mich zu flüchten, doch der Doktor war noch dort, stellte viele Fragen und machte beständig Notizen sich, und beide sprachen sie voll des Lobes von mir, dass ein guter Junge ich sei, gut und klug, undScham befiel mich ob all des Bösen, das in meine Seele gekommen war, wie hatte das Geplapper der Vögel mich all meine Tugenden übertreten lassen, und schon stürmte im Laufschritt ich auf mein Zimmer und schloss die Tür, verriegelte sie hinter mir, denn wie sollte meine Liebsten ich anschauen können, wie meine Augen zu ihnen heben, doch alsbald klopften an meine Tür sie, und der hochgestellte Doktor, der ebenfalls in den zweiten Stock sich gemüht, fragte mit seiner warmen, tiefen Stimme: «Salach, bist wach du?» Und der gute Engel fügte ein mit einem Scherz versetztes Flehen hinzu: «Wir möchten nur grüßen dich», doch ich antwortete nicht, gab nicht ein Wort von mir, denn wie sollte ich in meiner erröteten Scham die Türe ihnen öffnen?
    In dem Augenblick, in dem der Doktor gegangen war, verließ mein Zimmer ich, meine Wangen noch gerötet vom Knospen der Schuld und Schande, und stieg hinab die Treppe mit der Furcht und Bangigkeit von einem, der die, die ihn lieben, um Verzeihen zu ersuchen trachtet und nicht weiß, ob ein solches ihm jemals gewährt werden wird, und da waren schon die Augen des guten Engels auf mich gerichtet, ihr Blick traurig und enttäuscht ob all der schrecklichen Dinge, die ich ihm angetan, und Bilder und Eindrücke aus der Vergangenheit zogen unwillkürlich durch mein Hirn, wie er mit seinen Flügeln mir zugewinkt und in mein Zimmer gekommen, wie er mit mir auf dem Sandsteinfelsen über dem Meer gesessen und unsere glückliche Zukunft vor uns ausgebreitet lag von einem Ende des Horizonts zum anderen, und wie ich dem bitteren Irrtum verfallen, als

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