Das Haus der Rajanis
am Ende die Dienerin beiseitestieß und wie eine Furie aus dem Haus stürzte, und Amina ihr nachrief: «Herrin, nein, ich flehe Sie an», und ich folgte ihr bang und zitternd, da Mutter mit einem Mal im Laufen ihr Gewand abgestreift und fortgeworfen und nun vollkommen nackt war, ihre weiße, unverhüllte Haut in den ersten Strahlen der Morgensonne leuchtete und ihre Brüste hinund her schwangen, da wie von Sinnen sie dahinstürmte, die obere, behaarte Linie dieses schwarzen Dreiecks alle Welt verlachte, und Amina gewahrte mich und rief: «Schnell, schnell, Salach, ihr nach», bis mit letzter Kraft wir sie eingeholt und sie an den Haaren gepackt, ehe sie durch das Tor des Gutes war, und Amina sie mit dem Kleid bedeckte, das Mutter weggeworfen, um ihre Schande zu verbergen, derweil Mutter schrie: «Zum Fluss! Zum Fluss!» Darin einzutauchen und den Schmutz abzuwaschen, denn Ameisen und Skorpione kröchen über ihre Haut, raschelten auf ihr krabbelnd und kratzend, und nur unter großen Qualen vermochten wir, sie zurück in ihr Bett zu schaffen, wo Amina geistesgegenwärtig eines der Laken in Streifen riss und mir sagte: «Binde sie fest, Salach, schnell», und Aminas Beispiel folgend umwickelte ich Mutters Handgelenke und band die Stoffstreifen am Rahmen des Bettes fest, da Mutters gellende Schreie den Raum füllten: «Zum Fluss! Zum Fluss!» Und die Verwünschungen, mit denen Mutter mich bedachte, wollte Gott, ich hätte sie nicht gehört, und wenn ich sie gehört hätte, oh wenn ich mich ihrer bloß nicht mehr erinnerte, bis Amina schließlich einen zu einer Kugel gerollten Stoffstreifen in Mutters Mund stopfte, die Knoten festzog, eine Decke und Kissen über sie breitete und ihr zuflüsterte: «Genug, genug, Herrin, ruhig, bitte hören Sie auf», doch Mutter, verschwitzt, in ihren glasigen Augen tobende Wellen der Wut, gab aus ihrer erstickten Kehle dumpfe und tiefe Ächz- und Stöhnlaute von sich, ehe Amina zur Speisekammer ging und von dort mit einer kleinen Schachtel Riechsalz zurückkehrte, diese unter Mutters Nase hielt und die undeutlichen Schmähungen und Schreie alsbald schwächer wurden, Mutter sich ihren Erlösern ergab und Amina mich anwies, die Knoten ein wenig zu lockern, hernach aus einer geheimen Schublade ein Tellerchen holte, auf dem Tabak mit Haschischkrumen vermischt, das Ganze in eindünnes Papierblättchen rollte, entzündete und Mutter den süßen Rauch inhalieren ließ, worauf Mutter schon bald in einen kurzen, tiefen Schlaf fiel, ihre Augen rollend wie Murmeln, und Amina sagte: «Salach, mein guter Junge, weiche nicht vom Bett deiner Mutter, denn ihre Seele ist krank», und ich sagte, «Ich werde tun, wie du befiehlst», und wartete an Mutters Bett, bis die Augen sie aufschlug, worauf ich ihre Hand ergriff und ihre Finger küsste, was ich seit einer Ewigkeit nicht getan, da die ganze Zeit ich in meinen eigenen Qualen versunken gewesen, Vaters Tod, die Verbrechen und Sünden des bösen Engels, bis meine eigene Mutter, die mir einst das Leben geschenkt, in meinen Augen vergessen ward, und erst jetzt bemerkte ihre spröden Lippen ich, die ausgetrocknete Haut ihres Gesichtes und ihre abgenagten, bleichen Fingernägel und sagte: «Mutter, gemeinsam können wir uns gegen alle behaupten, die uns übel gesonnen», und sie erwachte gänzlich aus ihrem Schlaf, lächelte ein trauriges Lächeln und bat, ich möge sie von den Stoffstreifen befreien, flehte, ich solle ihr frisches Wasser aus dem tönernen Krug bringen, und als ich das Glas an ihre Lippen führte, blickte auf seinen Grund sie, in das darin wirbelnde Wasser, und flüstert in anschwellendem Tosen: «Zum Fluss, Salach, ich möchte eintauchen im Fluss.»
11. Februar 1896, Neve Shalom
Diese Zeilen schreibe ich beim flackernden Schein einer schwindenden Kerze zur Stunde der dritten Nachtwache.
Erneut will mein Schlaf sich nicht einstellen.
Lange Stunden habe auf meinem Lager ich mich gewälzt, habe meine Nase in das Kissen vergraben, bis ich es nicht mehrausgehalten, mich aus dem Bett erhoben und die dem Schlafe der Gerechten hingegebene gnädige Frau sich selbst überlassen. Ich begab zum Sekretär im Foyer mich, schlug auf mein Tagebuch und mästete es mit alldem Unrat und Abfall, dessen ich so überdrüssig.
Meine Gedanken umkreisen einander wie ein hechelnder und lechzender Hund mit herabhängenden Ohren, der seinen eigenen Schwanz jagt. Vielleicht sind diese Worte, wohlgeordnet auf weißem Papier, geschaffen, ein wenig Logik ihnen
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