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Das Haus der Rajanis

Das Haus der Rajanis

Titel: Das Haus der Rajanis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alon Hilu
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einzugeben und ihren Stachel zu ziehen.
    Ein besonders impertinenter und deprimierender Gedanke ist, dass die Onkel des Jungen mir nachstellen, meiner habhaft zu werden und mir das Leben zu nehmen. Immer wieder muss in Erinnerung ich mir rufen, warum diese Befürchtung nichts anderes als Torheit: Zum einen ward Salachs Brief in seiner originalen Fassung niemals an sie abgeschickt. Zudem, selbst wenn er doch verschickt ward, von ihm oder jemand anderem (doch wer sollte dieser Unbekannte sein, der dazu seine Hand gäbe), so ist doch klar und gewiss, dass seine Verwandten keinen Finger krümmen werden, da in Beirut sie sitzen und Salach in Jaffa, sie mit ihrem Handel und Wandel beschäftigt und er mit seinen Geschichten. Und drittens, in dem höchst unwahrscheinlichen Falle, dass tatsächlich sie herkämen, so fänden unschuldig und von jedwedem Verbrechen unbefleckt sie mich vor. Nicht ein Mann auf dieser Welt, der sich nicht von der Wahrheit dessen überzeugen ließe.
    Doch während ich mich selbst noch mit derlei gewichtigen Argumenten zu beruhigen suche, erhebt bereits ein anderer, noch bejammernswerterer Gedanke sich, mir alle Freude und Gelassenheit zu nehmen, und obgleich ich mich wahrlich schäme, diesen zu Papier zu bringen, werde trotz allem ich solches nun tun. Meine Seele zittert um ihr Leben ob dieser erdachten, phantastischenGeschichte, dieser bloßen Anhäufung von Worten, die der Junge an jenem Abend verlesen, denn seither wähne ich zu sehen, sehe aber nicht, wähne zu hören, höre aber nicht, wähne zu spüren, aber spüre nicht den Blick oder die Stimme oder den Körper eines Mannes, der bereits begraben und verscharrt und in den Gefilden der Toten wandelt, der trotz allem jedoch in den Augen meiner Seele, die von Neurose befallen, meinen Schritten folgt, um an mir sich zu rächen.

    Mutter ist durch den sich kräuselnden Rauch des Haschisch zu beruhigen, doch während der anderen Stunden des Tages ist ihr Antlitz finster und traurig, weint und jammert sie, sodass gezwungen wir sind, sie abermals ans Bett zu fesseln und nicht einen Augenblick unsere Augen von ihr zu nehmen, und an diesem Morgen, nachdem Amina für einen Augenblick das Gutshaus verlassen, stand ich an ihrem Kopfende und strich ihr über das Haar, und Mutter flüsterte mit verführerischer, trügerischer Stimme: «Salach, Salach, mein Sohn, bring mir ein Messer, damit ich mir einen Apfel schälen kann, nimm die Stoffstreifen von meinen Gelenken, damit ich mir die Augen reiben kann», doch dann fing an sie zu weinen, schrie und schluchzte: «Salach, meine Sünde lastet schwer auf mir, gebe Gott, dass dein Vater, der im Garten Eden sitzt mit vierzig Jungfrauen, die sein Haar kämmen, mir all meine Verbrechen vergibt», und dann begann vor Fieber glühend sie wirr zu reden, sagte mir: «Schnell! Ehe die Dienerin zurückkommt, bring ein Giftextrakt, das bis zur Neige ich leeren werde», und ich sagte: «Welche sind deine Sünden, Mutter», worauf ihre rissigen Lippen vor meinen Augen aufklafften, als ein kurzes, bitteres Lachen sie ausstieß: «Der
Kushan
, ich habe den
Kushan
in dieHände des Verderben bringenden Engels gegeben, unbedacht bin zum Haus des
Kaimakans
ich gegangen, habe mir die unterschriebene Urkunde aushändigen lassen und sie ihm gebracht, und jetzt ist unser Anwesen, unser gesamter Besitz ihm übertragen, sind wir schwache, dünnhalsige Vögelchen, gefangen in seinen Fäusten, seinem guten Willen und seiner Barmherzigkeit ausgeliefert, und schon an dem Tage, an dem ich deinem Vater, möge in Frieden er ruhen, angetraut wurde, als er mich von meinen Puppen wegholte, mich zu seiner Frau machte und in sein Haus mich brachte, auf sein Gut, schon an jenem Tage zeigte alle Pfade und Wiesen er mir, die Obstgärten und Plantagen, und ließ einen Eid mich schwören, sollte er diese Welt der Nichtigkeiten vor mir verlassen, dürfte ich bis ans Ende meiner Tage, die nach seinem Tode ich noch leben würde, niemals auch nur einen Klumpen Erde vom Gute der Rajanis preisgeben, da die Sufiweisen, die dereinst das Anwesen gesegnet, es mit einer Prophezeiung belegt, dass, wenn seine Ländereien verloren, auch das Gut selbst untergehen würde und dass jeder, der diesen Eid bräche, Höllenqualen zu erleiden hätte, ein Fluch über sein Leben und seinen Tod käme und ein jeder Mann, unbescholten oder böse, der das Gut für sich nähme, keine Ruhe mehr finden sollte. Sein Schlaf würde ausbleiben, alle Nächte müsste durchwachen er, würde

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