Das Haus Der Schwestern
wo Marjorie am Tisch saß und in einer Tasse mit kaltem Kaffee rührte.
»Kann ich mir etwas von dem Sherry nehmen?« fragte Laura. Sherry war das einzige alkoholische Getränk, das Marjorie in der Wohnung hatte.
Marjorie zog die Augenbrauen hoch. »Sherry? Ich dachte, du machst dir jetzt einen Tee! Wenn du schon zum Alkohol greifst, mußt du ziemlich durcheinander sein!«
Blaßgelb floß der Sherry ins Glas. Er war so trocken, daß Laura unwillkürlich eine Grimasse schnitt, nachdem sie den ersten Schluck genommen hatte.
»Er klang völlig normal«, sagte sie, »es scheint alles in Ordnung zu sein bis auf die Tatsache, daß sie eingeschneit sind.«
»Manchmal hast du wirklich eine blühende Phantasie, Laura! Was sollte dort auch nicht in Ordnung sein?«
Laura erwiderte nichts auf diese Frage. Etwas mitleidig sah sie ihre Schwester an. Marjorie war so ahnungslos. Natürlich hatte sie dadurch auch mehr Ruhe, aber ihr Leben plätscherte ereignislos dahin. Keine Höhen, keine Tiefen.
Sie war so unsagbar erleichtert. Die beiden hatten nichts gefunden. Dieser Ralph Sowieso hätte sonst niemals so unbefangen mit ihr reden können. Ein bißchen genervt, das hatte sie schon bemerkt. Er hielt sie für eine schrullige Alte, die sich über einen unerwarteten Schneeinbruch ganz unverhältnismäßig heftig aufregte. Sollte er nur denken, was er mochte. Hauptsache, er wußte nichts.
Der Sherry schmeckte gräßlich, aber er entspannte sie, und sie konnte es sich nicht versagen, sich ein zweites Mal einzuschenken.
Marjorie beobachtete sie argwöhnisch. »Weißt du, Laura, wenn ich dich so sehe, kommt es mir vor, als wäre ich die ältere von uns beiden. Du bist manchmal so unvernünftig wie ein kleines Kind. Ich meine, was regst du dich denn auf, weil diese Schneekatastrophe irgend etwas an deinem Haus kaputtgemacht haben könnte? Du mußt Westhill ohnehin verkaufen, das ist dir doch wohl klar? Du brauchst schon wieder Geld, und ich helfe dir diesmal nicht aus der Patsche. Ich kann es nicht. Freunde dich endlich mit dem Gedanken an, dieses Gemäuer da oben abzustoßen, statt immer davor wegzulaufen! «
»Es ist noch nicht aller Tage Abend«, sagte Laura störrisch. Die kurze Euphorie, die sie nach dem Gespräch mit Ralph erfüllt hatte, verflog schon wieder. Zurück blieb Ernüchterung.
Warum muß Marjorie immer so sein, dachte sie, warum hat sie solchen Spaß daran, anderen das Leben schwerzumachen?
»Du wirst immer mehr Schulden machen müssen. Und allzuviel Kredit wird dir die Bank nicht bewilligen. Du kannst höchstens die Farm selbst beleihen. Und dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis man sie dir wegnimmt. Ich an deiner Stelle würde verkaufen, solange du noch die Preise bestimmst! «
»Ich könnte es vielleicht schaffen. Noch gehört mir ja ein bißchen Land. Ich müßte den Farmbetrieb aktivieren. Damit hat es Frances nach dem Ersten Weltkrieg auch geschafft. Sie hat es mir oft genug erzählt. Damals hat sie . . .«
Marjorie schnaubte verächtlich. »Nimm es mir nicht übel, Laura, aber du bist keine Frances Gray. Du hast einfach nicht ihr Format. Sie hätte das Ruder noch herumgerissen, aber du nicht!«
»Du hast ja eine großartige Meinung von mir.«
»Entschuldige, aber du weißt es doch selbst. Du bist keine Unternehmerin. Dafür muß man Mut haben, Ideen. Man muß über Entschlußkraft verfügen. Du weißt, daß von all dem bei dir nicht viel zu finden ist. Du bist eine nette Person, Laura, und du warst für die alte Gray eine gute Gesellschafterin, eine passable Köchin und Haushälterin. Aber daß du hingehst und aus Westhill wieder die Farm machst, die es einmal war . . . nein, das überfordert dich. Und das weißt du auch! «
Laura trank den letzten Schluck Sherry. Er schmeckte noch scheußlicher als vorher. Sie war jetzt völlig deprimiert. Vor allem, weil sie wußte, daß Marjorie recht hatte.
»Abgesehen von allem anderen«, fuhr Marjorie fort, »bräuchtest du auch einiges Startkapital. Woher wolltest du das nehmen? «
»Ich weiß nicht«, flüsterte Laura. Konnte Marjorie nicht endlich aufhören?
Aber die war in Fahrt. »Es wird höchste Zeit, daß du den Kasten verkaufst. Fernand Leigh steht doch ohnehin schon Gewehr bei Fuß, sich das Ding einzuverleiben. Er hat dann endlich, was er immer wollte, und du bist einen Haufen Sorgen los. Was soll denn eine einzelne Frau in einem Haus mit so vielen Zimmern? Zugig ist es dort, unpraktisch. Und diese karge Landschaft! In den Geschichten der
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