Das Haus Der Schwestern
zwischen den Büschen und Bäumen des Gartens aufgetaucht, daß Frances, die vor ihrem Gemüsebeet in der hintersten Ecke kniete, zusammenzuckte. Sie hob den Kopf.
»Oh, Marguerite! Ich hörte Sie gar nicht kommen!« Sie strich sich die feuchten Haare aus der Stirn. Der Tag war heiß, schwül fast, und ständig brach ihr der Schweiß aus.
»Was gibt es Neues?«
»Wenn Sie den Krieg meinen, nichts Gutes.« Marguerite setzte sich auf die Mauer. »Rommel steht dicht vor Kairo. Und die Engländer haben sich bis hinter die Grenze Ägyptens zurückgezogen.«
»Ich weiß. Aber Churchill sagt, die Engländer werden jetzt keinen Fußbreit Boden mehr hergeben. Und Rußland scheint zum Desaster zu werden für die Deutschen. Es kann nun alles nicht mehr lange dauern.«
»Das sagen wir alle immer wieder. Aber Hitler ist stärker, als irgend jemand geahnt hat. Wenn er am Ende doch siegt? Wer sagt denn, daß das Böse immer untergeht? Die Gewißheit hat man doch nur im Märchen.«
Frances sah sie nachdenklich an. »Sie machen heute auf mich einen ziemlich deprimierten Eindruck, Marguerite. Wegen der schlechten Nachrichten aus Afrika? Oder beschäftigt Sie etwas anderes? «
Marguerite schien nach Worten zu suchen, was ungewöhnlich für sie war. Normalerweise sagte sie recht klar und deutlich, was sie dachte.
Schließlich antwortete sie: »Ich habe ein Problem. Mit Victoria. Das heißt, sie weiß noch nichts davon, aber ...«
»Worum geht es denn dabei?«
Marguerite sah an Frances vorbei. »John und ich werden heiraten. «
Frances ließ die kleine Schaufel fallen, die sie in der Hand gehalten hatte.
»Ich weiß, das kommt sehr überraschend«, fuhr Marguerite hastig fort, »wir haben ja niemandem etwas erzählt, und niemand hat etwas bemerkt.«
Na, wenn du dich da mal nicht täuschst! dachte Frances. Der erste Schock wich langsam. Sie fragte sich, was sie fühlte, aber sie konnte es nicht herausfinden. Eine eigentümliche Leere breitete sich in ihr aus.
»Victoria war immer sehr nett zu mir«, sagte Marguerite. »Natürlich sind wir sehr verschieden, und ... na ja, manchmal geht sie mir auf die Nerven. Aber sie war der erste Mensch hier, der sich um mich gekümmert hat. Damals hat mir das viel bedeutet. Sie liegt mir nicht besonders, aber ich möchte ihr ungern weh tun.«
Dumme Lage, was? dachte Frances. Aus der Leere in ihrem Inneren kristallisierte sich allmählich ein Gefühl heraus: Bitterkeit.
Schon wieder. Schon wieder stehe ich da und sehe zu, wie er eine andere heiratet.
»Ich weiß, daß sie die Trennung von John noch immer nicht verwunden hat«, fuhr Marguerite fort. »Sie wird sie wahrscheinlich nie verwinden. Alles, was da geschehen ist, empfindet sie als eine schmerzhafte Niederlage. Soweit ich das einschätzen kann, wird sie sich von dieser Niederlage nicht erholen. Und wenn sie nun erfährt, daß John und ich ...« Sie sprach den Satz nicht zu Ende. Sie schien aufrichtig bekümmert und ratlos.
Frances hatte den Eindruck, daß sie endlich etwas sagen mußte. »Sie sind ganz sicher? Ich meine, Sie und John sind sicher? Die Sache steht fest?«
Marguerite sagte ruhig: »Ich bekomme ein Baby, Frances.«
Frances setzte sich mitten in die Erde ihres Gemüsebeetes und stützte den Kopf in die Hände.
Sie hatte sofort losgehen und mit John sprechen wollen, aber dann zwang sie sich, ruhig Blut zu bewahren und sich nicht wie ein gekränktes junges Ding aufzuführen. Zu wem hatte sie erst neulich gesagt, daß sie bald ihren fünfzigsten Geburtstag feiern würde? Ach ja, die arme, kurzatmige Mrs. Parker war es gewesen. Mit fünfzig war es an der Zeit, würdevoll auf die Krisen des Lebens zu reagieren. Wenn sie in den Spiegel sah, stellte sie fest, daß die grauen Haare auf ihrem Kopf bereits dominierten.
Mit so vielen grauen Haaren, sagte sie sich spöttisch, rennt man nicht hinüber nach Daleview so wie früher. Das würde lächerlich wirken. Soll er doch herkommen und mir eine Erklärung abgeben.
Und er kam. An einem gewitterschweren Tag Ende August, an dem Mensch und Tier und jeder Grashalm nach wochenlanger Hitze einem befreienden Gewitter entgegenlechzten, erschien er plötzlich am Nachmittag. Frances begriff sofort, daß seinem Kommen ausgeklügelte Planung vorangegangen war: Marguerite hatte Victoria zu einem Einkaufsbummel in Leyburn überredet, und Adeline besuchte, wie sie schon tagelang vorher angekündigt hatte, ihre Schwester in Worton. Frances würde mit Laura und Marjorie bis zum Abend allein
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